Staatsanwalt statt Staatsknete

■ CDU will Gelöbnix-Organisatoren Förderung streichen. Bundeswehrgegner wollen Polizei wegen Nötigung verklagen

„In Berlin herrschen ganz andere Verhältnisse als in Bonn“, kommentierte der Berliner Innensenator Eckart Werthebach die Proteste gegen das Gelöbnis der Bundeswehr am 20. Juli. „Die schwersten Störungen, die die Bundeswehr je hinnehmen mußte“, freute sich hingegen Casten Dannel von den Jungdemokraten/Junge Linke. Der 26jährige war selbst unter den zwanzig Personen, die unmittelbar vor der Vereidigung den Gelöbnisplatz gestürmt und die Veranstaltung damit empfindlich beeinträchtigt hatten.

Jetzt werden sich Gerichte und Parlament mit den Vorfällen beschäftigen müssen. „Wer Sachbeschädigung, Körperverletzung und Hausfriedensbruch begangen hat, das ist die Polizei“, kritisierte die parteilose Abgeordnete Ida Schillen gestern auf einer Pressekonferenz der Gelöbnisgegner. Also sei das Vorgehen der Beamten gleich mehrfach rechtswidrig gewesen. Man wolle Anzeige wegen Nötigung erstatten.

Der umstrittene Einsatz habe zudem mehrere Verletzte gefordert, betonten die Veranstalter. Sechs Menschen mußten sich im Krankenhaus behandeln lassen, zwei Personen befanden sich nach Angaben der Veranstalter noch immer in ärztlicher Behandlung, ein sechzehnjähriges Mädchen erlitt durch den Polizeieinsatz einen Schock. Feldjäger hätten außerdem einen Gegendemonstranten „Dreck fressen“ lassen.

Die Gelöbnisgegner sehen sich „mit Repressionen überzogen“, wie Gerrit Ziegler vom „Büro für antimilitaristische Maßnahmen“ sagt. Sie selbst habe eine kleine Sirene mit Batteriebetrieb bei sich getragen, als sie am Dienstag über den Gelöbnisplatz gerannt sei. Die Beamten, die sie festnahmen, haben sich den Gegenstand scherzend zugeworfen – mit den Worten: „Guck mal, ne Bombe.“ Hinterher brachte das Mitbringsel Ziegler eine Hausdurchsuchung ein. Begründung: Verdacht auf Besitz von Sprengstoff. Gegen zwei Personen erließ die Staatsanwaltschaft Haftbefehl, der aber mit Auflagen außer Kraft gesetzt wurde.

Rechtsanwalt Dieter Hummel kritisierte die vorzeitige Beendigung der Gegenkundgebung als rechtswidrig. Laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1990 habe die Bundeswehr kein Anrecht auf ein wohlgesonnenes Publikum. „Die Gegenveranstaltung darf keine Lautstärke erreichen, die zur Störung der Veranstaltung geeignet ist“, erläutert demgegenüber Polizeisprecher Michael Kokert die Sicht seiner Behörde.

Nach dem Willen der CDU sollen die Proteste die Jungdemokraten/Junge Linke teuer zu stehen kommen. Die Gruppe erhalte jährlich 39.000 Mark aus den Mitteln der Senatsverwaltung für Jugend, Schule und Sport. „Wer Soldaten der Bundeswehr beleidigt, ja sogar tätlich angreift, ist ein Fall für den Staatsanwalt, nicht für Staatsknete“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Berliner CDU-Faktion, Roland Gewalt. Die Jungdemokraten wiesen die Vorwürfe zurück. Das Geld werde für außerschulische Jugendbildung verwendet, nicht für politische Arbeit. „Der Grundsatz der Förderung darf nichts damit zu tun haben, ob man regierungskonforme Meinungen vertritt“, erklärte ein Sprecher, „demokratisches Engagement darf nicht unter Geldstrafe gestellt werden.“

Der nächste Protesttermin steht bereits im Kalender: Am 11. September will der Bundeswehrverband in Berlin gegen die Sparpläne der Regierung demonstrieren. „Wir nehmen die Herausforderung an, wieder zuzuschlagen“, sagte ein Sprecher der Kampagne gegen Wehrpflicht. Andreas Spannbauer

„Wir nehmen die Herausforderung an.“ Die Kampagne gegen Wehrpflicht zur geplanten Bundeswehrverband-Demo