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Büromarkt fällt ins Sommerloch

1,5 Millionen Quadratmeter freie Gewerbeflächen in der Hauptstadt. Immobilienreport konstatiert noch weiter steigende Leerstandsraten. Im Vergleich zu Frankfurt und München rangiert die Stadt auf einem Abstiegsplatz  ■   Von Rolf Lautenschläger

Der oberste Marketing-Chef der Stadt, Volker Hassemer, ehemals Stadtentwicklungssenator und heute Geschäftsführer der Werbeagentur „Partner für Berlin“, kommt sich vor wie der Rufer in der Wüste. Nirgendwo seien derzeit die Angebote für Bürostandorte so attraktiv wie an der Spree. Nirgendwo in der Republik gebe es günstigere Dienstleistungsimmobilien, wird der Manager nicht müde zu betonen. Was müsse denn noch geschehen, damit die neuen Gebäude „gefüllt“ werden, fragte Hassemer.

In der Tat stagniert der Leerstand bei Büroflächen auf dem Berliner Immobilienmarkt auf hohem Niveau. Nach einer Analyse der international renommierten Immobilienberater Jones Lang LaSalle standen von rund 14 Millionen Quadratmetern Bürofläche in der Hauptstadt im ersten Halbjahr 1999 satte 1, 43 Millionen leer – Tendenz steigend. Gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr hat sich damit die Leerstandsrate von 9,4 auf 10 Prozent erhöht – mehr als München (1,7 Prozent leere Büros) und Frankfurt am Main (4,9 Prozent) zusammen.

Angesichts großer Bauprojekte wie die von Sony und ABB am Potsdamer Platz oder Neubauten im Bezirk Mitte, der City West sowie an der Peripherie, konstatiert Jones Lang LaSalle, könne von einer Dynamik auf dem Büroflächenmarkt künftig keine Rede sein. „Die Mietpreisspannen“, erklärt Klaus Krägel, Sprecher des Unternehmens, würden auf demexistierenden Niveau „bestehen bleiben“. Was bedeutet: Die Vermietung von Gewerberäumen mit Durchschnittspreisen von 35 Mark pro Quadratmeter bringt kaum Rendite für Investoren und Bauträger.

Zwar hat die Consultingfirma errechnet, daß in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 129.000 Quadratmeter Fläche neu vermietet werden konnten. Der Halbjahresumsatz relativiert sich aber, wie aus der differenzierten Bilanz hervorgeht: Die meisten Neuvermietungen erzielten Büroanbieter im Schatten der Reichstagseröffnung. In den Monaten April bis Ende Juni war dagegen ein Rückgang der Nutzer gegenüber dem ersten Quartal 1999 von 21 Prozent zu verzeichnen. Die Büroflächen samt Umsatz fielen quasi ins Sommerloch. Der Immobilienreport macht die schlechte wirtschaftliche Lage der Stadt für den Flächenleerstand verantwortlich.

„Der Bundeshauptstadt mangelt es an einer durchschlagenden Dynamik“, erläutert Krägel. Das ökonomische Volumen sei für eine Metropole „unverhältnismäßig gering“ und könne nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Stadt „auch zehn Jahre nach dem Fall der Mauer immer noch auf der Suche nach jenem wirtschaftlichen Status ist, den sie vor Jahrzehnten einmal innehatte“.

Verbesserungen auf dem Immobilienmarkt haben Jones Lang LaSalle allein in der City Ost und West ausgemacht: Während die Leerstandsrate an der Peripherie auf fast 45 Prozent hochklettert, verzeichnen die „1A-Innenstadtlagen“ höhere Auslastungen und Nachfragen. Besonders kleine Büroflächen im Rahmen von 500 bis 1.500 Quadratmetern haben zugelegt – ein Plus von 19 Prozent. Neuanfragen besonders am Potsdamer und Leipziger Platz für 70.000 Quadratmer bildeten „ein respektables Ergebnis“, sagt Krägel.

Dennoch dümpelt Berlin im republikweiten Vergleich auf den unteren Rängen. Haben Investoren und Politiker Anfang der 90er Jahre geglaubt, die neue Hauptstadt starte im Rennen um neue Märkte und Ansiedlungen gegenüber der Konkurrenz durch, zeigen die Beispiele anderer Metropolen ein anderes Bild. Gegen potente Großstädte und wirtschaftlich starke Regionen wie Frankfurt am Main und Düsseldorf sowie München und Hamburg hat die Stadt derzeit kaum eine Chance.

Das liegt zum einen am mangelnden Mut der Unternehmen, ihreHeadquarters und großen Filialen en suite in die Hauptstadt zu verlegen. Das Potential umzugswilliger Unternehmen seit zwar durchaus vorhanden, meint ein Wirtschaftsprüfer. Entscheidungen, dies umzusetzen, würden aber nicht in ausreichendem Maße getroffen, da der Standortvorteil in Berlin weder politisch noch wirtschaftlich ausreichend erkannt würde.

Zum anderen pflegen die großen Unternehmen aus München oder Frankfurt und Hamburg weiter vor Ort ihre Geschäfte und traditionellen Beziehungen nach Südeuropa beziehungsweise Nordeuropa und die USA. Die Bankerstadt Frankfurt mit 10 Millionen Quadratmetern Bürofläche und einem Leerstand von 460.000 Quadratmetern sieht sich nach Ansicht der Bürgermeisterin Petra Roth als „Global Player“ und weniger als Steinbruch für den Aufbau Ost in Berlin.

Damit kein ganz so trübes Bild von Berlin bleibt, hat das Konkurrenzunternehmen von Jones Lang LaSalle, die Consulter von City-Report, die internationale Konkurrenz zum Berlin-Vergleich untersucht. London und Paris, stellt Report-Chef Arthur Orthen fest, hätten Mitte der 90er Jahre mit Leerständen von 20 Prozent zu kämpfen gehabt.

Heute sei es den Engländern und Franzosen zwar gelungen, die Leerstandsraten auf 6 beziehungsweise 4,5 Prozent abzusenken. Das große Ausmaß von jeweils 40 Millionen Quadratmeter Fläche und hohe Preise lassen vermuten, daß neue Firmen sich dem Berliner Markt zuwenden würden. „Mit Blick auf die internationalen Märkte ist die Ausgangsposition der Bundeshauptstadt aussichtsreich.“ Die „Nachfrage-Impulse“ deuteten auf das „Ende der Talsohle“ hin.

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