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Chirac auf afrikanischen Abwegen

■ Frankreichs Präsident hat sich für seine neueste Westafrikatour eine Reihe zwielichtiger Gastgeber ausgesucht

Paris (taz) – Neue Afrikapolitik hin oder her: Einmal im Jahr muß der Bewohner des Elysee-Palastes einfach auf den schwarzen Kontinent reisen. In diesem Sommer ist Westafrika dran. Frankreichs Präsident Jacques Chirac besucht vier Länder in fünf Tagen. Zwei davon (Togo und Kamerun) als Staatspräsident, zwei (Guinea und Nigeria) als „persönlicher Gast“. Und überall hinterläßt er die Botschaft, Frankreich bleibe der „Freund Afrikas in Europa“.

Die Besuchten zeigen sich erkenntlich. Für die drei frankophonen Länder ist Chirac der Staatschef des wichtigsten Geschäfts- und Entwicklungshilfepartners. Für die einstige britische Kolonie Nigeria, das bevölkerungsreichste afrikanische Land mit zugleich riesigen Erdölvorkommen, ist Frankreich ein vielversprechender „neuer Freund“.

In Guineas Hauptstadt Conakry waren zur Ankunft des Franzosen am Mittwoch sämtliche Geschäfte geschlossen. Lautsprecherwagen forderten die BewohnerInnen zum Jubeln auf. Längs der 15 Kilometer langen Strecke vom Flughafen zur Innenstadt hatte Chirac Gelegenheit, eine dichtgedrängte Menge von fähnchenschwingenden GuineerInnen, darunter auch mit Transparenten bewehrte VertreterInnen der Opposition, zu sehen.

Als Chirac freilich vor seiner Abreise in einer Pressekonferenz auf einen rechtsstaatlichen Prozeß für den seit vergangenem Dezember ohne einsichtige Gründe inhaftierten Oppositionschef Alpha Condé drängte, versteinerte das Lächeln seines Gastgebers. „Ich weiß gar nicht, weshalb sich Frankreich so für unsere inneren Angelegenheiten“ interessiert, antwortete Guineas Staatspräsident Lansana Conté unter dem Gelächter der anwesenden JournalistInnen.

Die gestern begonnene zweite Etappe der vierten Afrikatournee Chiracs ist unter menschenrechtlichen Aspekten noch heikler. In Togo, wo laut einem Bericht von amnesty international im vergangenen Jahr Hunderte von getöteten Oppositionellen gefesselt ins Meer geworfen worden sein sollen, war eigentlich geplant, rechtzeitig zu Chiracs Ankunft den „innertogolesischen Dialog“ zwischen Regierung und Opposition erfolgreich zu Ende zu bringen. Doch der Chef der wichtigsten Oppositionspartei UFC, Gilchrist Olympio, lehnte es im letzten Moment ab, aus dem Exil im benachbarten Ghana zu dem unter anderem von deutschen, österreichischen und französischen Vermittlern organisierten Gesprächen anzureisen. „Zu gefährlich“, begründete er sein Fernbleiben, nachdem Togos Armee, der er nicht über den Weg traut, massiv zu seiner Einreise am fraglichen Grenzposten aufmarschiert war. Olympio betrachtet sich als eigentlichen Sieger der Präsidentschaftswahl von 1998, bei der sich Eyadema nach Abbruch der Stimmenauszählung zum Gewinner hatte erklären lassen.

Von einem Treffen mit Parteiführern abgesehen muß der französische Präsident also mit dem seit 1967 herrschenden General Gnassingbé Eyadema allein vorlieb nehmen. Eyadema ist einer der beiden amtsältesten Putschisten in Afrika und hat als Vorsitzender der Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten (Ecowas) eine international wichtige Rolle inne. Eyadema hofft dringend auf eine französische Fürsprache in Brüssel, damit die seit 1993 wegen kontinuierlicher Menschenrechtsverletzungen eingefrorenen europäischen Hilfen für sein Land wieder anlaufen. „Chirac war immer ein großer Verteidiger des afrikanischen Kontinents“, erklärte er vor der Ankunft des Franzosen.

Kamerun, der größte Empfänger französischer Entwicklungshilfe in Afrika, und Nigeria, das sich erst kürzlich der „Frankophonie“ angeschlossen hat, haben gegenwärtig einen Grenzkonflikt um die rohstoffreiche Halbinsel Bakassi. Chirac wird auf diesen beiden letzten Stationen seiner Reise eines der neuen großen Prinzipien der französischen Afrikapolitik vertreten. Es heißt Nichteinmischung. Dorothea Hahn

„Chirac war immer ein großer Verteidiger des afrikanischen Kontinents“, erklärt Togos Diktator Eyadema

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