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Die Russen fügen sich in ihre untergeordnete Rolle

■ Die albanische Bevölkerung im Kosovo findet sich mit der Präsenz russischer Truppen ab. Das Mißtrauen bleibt aber bestehen, auch bei den Nato-Offizieren im deutschen Sektor

Gewissenhaft studieren sie die Papiere der Leute: Russische Soldaten haben einen Checkpoint am Rande der ehemaligen UÇK-Hochburg Malisevo aufgebaut. Viele Bewohner der im Sommer 1998 von serbischen Truppen völlig zerstörten Stadt sind zurückgekehrt. Daß ausgerechnet hier russische Truppen stationiert sind, hat Proteste hervorgerufen. Bis vor wenigen Tagen wurde in der benachbarten Stadt Orahovac gegen die Russen demonstriert. „Die haben auf der Seite der Serben gekämpft, wir wollen die hier nicht“, sagen viele Albaner. Doch in den letzten Tagen ist die Stimmung gekippt. Die Russen verhalten sich wie die anderen KFOR-Truppen auch, hört man jetzt. Sie fahren wie die anderen Patrouille, kontrollieren an den Checkpoints und scherzen mit den Kindern. „Sie können ruhig hier sein“, sagt ein Mann, der gerade sein Fotogeschäft wiedereröffnet hat.

Zur Beruhigung beigetragen hat, daß an dem Checkpoint der Russen auch zwei deutsche Panzer stehen. Die deutschen Soldaten mischen sich zwar nicht ein – sie sitzen etwas gelangweilt auf den Panzern, doch ihre Präsenz zeigt der Bevökerung, wer hier in dem Sektor im Südwesten Kosovos das Sagen hat. Die bis hierher gelangten 120 Mann russischer Truppen stehen unter deutschem bzw. holländischem Befehl – die Niederländer sind im Rahmen des deutschen Sektors in der Region Malisevo und Orahovac zuständig.

Die russischen Truppen sind nach dem zwischen der Nato und der russischen Armee ausgehandelten Abkommen Teil der KFOR-Truppen, unterstehen aber nicht dem Oberkommando der KFOR und damit der Nato, sie sind jedoch in den jeweiligen Sektoren in die KFOR eingebunden. Da zudem weitere Nicht-Nato-Truppen in die KFOR eingegliedert werden, so im deutschen Sektor unbewaffnete Armeeangehörige aus der Schweiz, bewaffnete Truppen aus Österreich, Schweden, Slowenien und der Slowakei, können sich die Russen als Teil einer multinationalen Truppe fühlen, die nicht mit der Nato identisch ist. Mißtrauen ist aber geblieben.

Die Atmosphäre zwischen den Deutschen und den Russen als „frostig“ zu bezeichnen, scheint noch untertrieben zu sein. Bisher hätten die Russen, so KFOR-Sprecher Michalski, nicht einmal an den Lagebesprechungen in Prizren teilgenommen. Von vornherein haben die Deutschen und Niederländer zu erkennen gegeben, daß eine Stationierung der russischen Truppen in den serbischen Enklaven – etwa in dem Dorf Velika Hoca bei Orahovac – nicht infrage kommt. Die KFOR-Kommandeure wollen auf jeden Fall vermeiden, daß es zu einem serbisch-russischen Schulterschluß kommt. Offensichtlich befürchtet man, daß die Russen serbischen Extremisten nach möglichen Terroranschlägen sichere Rückzugsgebiete schaffen könnten. In Bosnien hätten russische Truppen ein Massengrab eingeebnet und somit die Spuren der serbischen Verbrechen verwischen helfen, beklagen deutsche Offiziere. Gerade im Raum Orahovac und Malisevo aber gibt es viele Massengräber.

Offiziell werden Berichte der UÇK, denen zufolge 2.500 Russen im Kosovo gekämpft haben, nicht bestätigt. Auch daß die UÇK bei gegnerischen Gefallenen Ausweise der russischen Armee gefunden hat, wird nicht weiter kommentiert. Doch intern wird alles getan, um den Einfluß der Russen im Kosovo zu begrenzen.

Das wissen natürlich auch die russischen Offiziere. Es handelt sich bei den jetzt eingesetzten Truppen offenbar um Elitesoldaten, einige von ihnen sprechen hervorragend Englisch. Sie sind mit der Region und der serbischen Version der Geschichte des Landes vertraut. Sie dürften zwar offiziell nicht mit der Presse sprechen, erklären sie. Dann tun sie es aber doch mit der Bitte, ihre Namen nicht zu veröffentlichen.

Armeeausweise könnten in Moskau an jeder Straßenecke gekauft werden, erzählen sie. Die gefundenen Papiere bewiesen nicht, daß die russische Armee mit der jugoslawischen kooperiert habe. Die Existenz von russischen Freiwilligen auf seiten der Serben jedoch leugnen sie nicht. Auch nicht, daß sie mit der serbischen Seite sympathisieren. Die Bombardements der Nato sehen sie als einen Fehler an. „Aber die persönlichen Meinungen haben nichts mit der Erfüllung unserer Aufgaben hier zu tun, wir werden uns unparteiisch verhalten“, erklärt einer der Offfiziere. Sie seien russische Militärs, die Befehlen gehorchten. Sie hätten zwar lieber im Rahmen von UN-Truppen gewirkt, sie hätten jetzt aber ihren Status in der KFOR akzeptiert. Insgesamt würden 3.500 Mann der russischen Armee nach Kosovo kommen. Die Kosten für den Einsatz seien sehr hoch. Die Einladung zu einem Bier schlägt der Offizier aus. Unter dem herzhaften Lachen seiner Untergebenen erklärt er: „Ein russischer Offizier trinkt nicht.“

Erich Rathfelder, Prizren

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