Kommentar: Strieders Irrweg
■ Knock-Out für Islamkunde
Warum ist es ein „Irrweg“, Kindern in einer Stadt, in der 150.000 Türken leben, die islamische Tradition in spielerischer Art und Weise zu vermitteln? Ihnen zu erklären, was Zuckerfest und Ramadan ist? Es geht doch nicht darum, mit Kindern zu beten, sondern ihnen die islamische Geschichte, deren Gebräuche und Ethik beizubringen. Im Klassenzimmer und nicht in einer Moschee.
Für den SPD-Vorsitzenden Peter Strieder ist das aber schon zu viel an Toleranz. Er lehnt den von Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) nach langem Zögern auf den Weg gebrachten Modellversuch an sechs (!) Grundschulen ab und schiebt zur Begründung die Kinder und Eltern vor. Diese, so Strieder, hätten sowieso kein Interesse an dem Unterricht. Da die Schulverwaltung jetzt Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zum Islamunterricht der Islamischen Föderation einlegen kann, soll es auch keinen islamkundlichen Unterricht geben, maßregelt Strieder.
Doch mit diesem Knock-Out ist Strieder auf einem Irrweg. Mit einem islamkundlichen Unterricht kann muslimischen Kindern (und auch anderen, die Interesse haben) geholfen werden, ihre Herkunft und Traditionen besser zu verstehen. Deshalb haben liberale türkische Verbände diesen Unterricht zu Recht jahrelang gefordert.
Stahmer jedoch hat das Thema auf die lange Bank geschoben. Erst als der islamischen Föderation im November vergangenen Jahres gerichtlich der Weg geebnet wurde, Religionsunterricht anzubieten, mußte Stahmer zwangsweise eine Alternative anbieten. Weil sie genau dagegen jetzt Revision einlegen kann, werden die Karten abermals neu gemischt.
Doch Berlin sollte als Hauptstadt so tolerant sein, endlich islamkundlichen Unterricht anzubieten – wie es Nordrhein-Westfalen schon seit langem tut. Schüler und Eltern, das haben Umfragen an den betroffenen Grundschulen ergeben, haben ein immenses Interesse an dem Modellprojekt. Sie wollen ihre Kinder nicht in eine Moschee schicken müssen, damit sie ihre Wurzeln kennenlernen. Gibt es das Angebot der Islamkunde nicht, werden die Eltern das vielleicht künftig aber tun. Julia Naumann
Bericht Seite 20
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