: Unruhen in Tscherkessien
■ Annullierung der Präsidentenwahl
Moskau (dpa) – Nach Annullierung der ersten Präsidentenwahlen in der russischen Kaukasusrepublik Karatschai-Tscherkessien sind dort wieder massive Proteste aufgeflammt. Mehrere tausend Menschen gingen am Sonntag in der Stadt Karatschajewsk, die mehrheitlich von Karatschaiern bewohnt wird, auf die Straßen.
Zur Entschärfung der Lage ernannte Präsident Boris Jelzin am Samstag den Tschetschenien-Experten Walentin Wlassow zum kommissarischen Republikspräsidenten. Wlassow war seit 1997 Jelzins Vertreter in Tschetschenien und 1998 ein halbes Jahr lang von tschetschenischen Geiselnehmern gefangengehalten worden. Moskau drohte zudem mit dem Einsatz des russischen Inlandsgeheimdienst in der binationalen Republik.
Auslöser der Krise war das Scheitern der Präsidentenwahlen vor drei Monaten. Das oberste Gericht Rußlands hatte das umstrittene Wahlergebnis vergangene Woche für ungültig erklärt. Nach der Wahl im Mai war General Wladimir Semjonow zum Sieger erklärt worden. Wochenlang hatten Tausende von Anhängern des Verlierers der Stichwahl, Stanislaw Derew, gegen das Ergebnis protestiert und massive Wahlfälschungen beklagt. Semjonow ist Karatschaier; Derew ist Tscherkesse.
Beobachter befürchten einen ethnischen Konflikt bis hin zur Spaltung der islamischen Republik mit ihren 450.000 Einwohnern. Die Tscherkessen stellen mit 45.000 Menschen die Minderheit neben etwa 150.000 Karatschaiern. Gut 40 Prozent der Bevölkerung sind Russen. Moskau hatte angesichts der Proteste Truppen in Karatschai-Tscherkessien stationiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen