Weg vom High-Society-Sport

Die „Ladies German Open“ der Golfspielerinnen finden trotz erstaunlich hochkarätiger Besetzung größere Beachtung vorwiegend bei der britischen Presse    ■ Aus Hamburg Christoph Ruf

Es ist kurz vor neun an einem viel zu kalten Morgen im äußersten Norden Hamburgs, irgendwo zwischen Poppenbüttel und Ohlstedt. Wer dem Bus der wenig frequentierten Linie 276 entsteigt, sieht sich einem reetgedeckten Landgasthof gegenüber. Dessen Speisekarte verspricht lokale Spezialitäten wie Sauerfleisch und Labskaus – beides ist nur nach jahrelangem Training unbeschadet zu verzehren und mithin ein weiterer untrüglicher Beweis dafür, daß sich Nicht-Hanseaten nur selten hierhin verirren. Wer's trotzdem tut, muß einen triftigen Grund haben. Beispielsweise den, daß gegenüber, beim „Hotel Treudelberg“, die German Open im Damengolf ausgetragen werden.

Dort erwartet den Reiselustigen wenig später ein veritabler Kulturschock. Wo noch vor kurzem mit einem knackigen „Kannssu nich kieken – die Ambäll iss roat“ auf die Beachtung der Straßenverkehrsordnung gedrängt wurde, ertönen nun auf dem Golfplatz sanfte Stimmen in soigniertem Englisch. Beim Golf – soweit sei der Klischeevorstellung Genüge getan – geht es vornehm zu: „Mrs. Samantha Head, representing England“, verkündet ein junger Mann am Schild mit der Aufschrift „Tee 1“, wo der Parcours eröffnet wird.

Samantha Head schreitet gemessenen Schrittes zur Mitte des in sattem Grün erstrahlenden Abschlagkreises, wirft ein paar Grashalme in die Luft und legt fast unmerklich die Stirn in Falten. Der Wind ist böig und paßt selbst in Hamburg nicht zur Jahreszeit. Da ihr die Brise ins Gesicht weht, wird sie mehr Kraft investieren müssen. Mrs. Samantha bezieht vor dem Holzpflock Stellung. Nach drei Testschwüngen ist es dann soweit: Eine schwungvolle, runde Ausholbewegung, und der kleine weiße Acrylball entschwindet dem Blick. Wenige Minuten später landet er etwa 200 Meter entfernt auf dem kurzgeschorenen Rasen. Ein guter Schlag, glaubt man den beifälligen Blicken der wenigen Umstehenden. Die Mimik der Britin hingegen verrät weder Freude noch Verärgerung: Beim Golf gelten exzessive Gefühlsaufwalllungen als unschicklich. Loch 1 hat „par 4“. Samantha wird es in drei Schlägen schaffen. Und zu Protokoll geben, sie sei „quite content“.

Auch im Pressezelt herrscht die englische Sprache vor. Die anwesenden Journalisten sind fast ausnahmslos Briten. Die meisten sind wegen ihrer Landsfrauen Laura Davies und Alison Nicholas hier. Die beiden sowie die Schwedin Catrin Nilsmark sind die Stars der diesjährigen German Open. Und die britische Öffentlichkeit scheint zu interessieren, wie sie in Hamburg abschneiden. Am Ende wird Nicholas Siebte und Davies Zweite, Samantha Head erscheint unter ferner liefen, während ihre Zwillingsschwester Johanna einen respektablen sechsten Platz belegt. Daß die Australierin Anne-Marie Knight mit einem Schlag Vorsprung vor der populären Laura Davies siegte, dürfte für Trauer im golfbegeisterten Königreich sorgen. „In England sind 40.000 Zuschauer keine Seltenheit“, stellt Turniersprecherin Solveig Kröger-Hoge wehmütig fest.

Hierzulande hingegen können die Veranstalter von solchen Zahlen nur träumen. Die als elitäres Yuppie-Vergnügen geltende Sportart findet weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit statt. „In Deutschland hieß Golf jahrelang Bernhard Langer“, ärgert sich Kröger-Höge über das Desinteresse, das besonders die Damenkonkurrenz trifft. Auch die Sponsoren halten sich bedeckt: Die Preisgelder in den USA betragen auch im Damengolf ein Vielfaches der in Hamburg insgesamt ausgelobten 300.000 Mark. Während in den Staaten dieses Jahr in 43 Turnieren 60 Millionen Mark Preisgeld ausgeschüttet werden, sind es in Europa bei der „Ladies European Tour“, zu der die German Open gehören, lediglich neun Millionen. Um so stolzer ist die agile Pressesprecherin darüber, für Hamburg eine solch hochkarätige Besetzung zusammenbekommen zu haben: „Obwohl sie gleichzeitig in den Staaten viel Geld hätte verdienen können, startet die Schwedin Catrin Nilsmark in Hamburg.“

Doch trotz kleiner Erfolge – „Die Berichterstattung ist schon etwas ausführlicher als beim Turnier im vorigen Jahr“ – fristet das Damengolf in Deutschland nach wie vor ein Schattendasein. Daß auch weite Teile der sportinteressierten Öffentlichkeit Golf ignorieren, gibt Kröger-Höge zu, haben sich die elitären deutschen Golferinnen und Golfer auch selbst zuzuschreiben. „Der Deutsche Golf Verband hat es unter seinem neuen, jungen Präsidenten endlich eingesehen, daß das Golfen weg muß vom High-Society-Sport“, lobt sie Wolfgang Scheuer, der den 300.000 Mitgliedern des DGV vorsteht. In Schottland habe jedes Dorf seinen Golfplatz, der Sport sei dort ebensowenig elitär wie Fußball oder Bowling. Erste Anfänge zur Demokratisierung des Nobelsportes seien auch in Deutschland gemacht: „In Düsseldorf und Frankfurt gibt es bereits öffentliche Anlagen. Weitere sind in Planung.“

Ob der neue Kurs beim DGV allerdings etwas an der Ignoranz des männlich dominierten Sportjournalismus ändert, ist fraglich. Zwar war in Treudelberg – außer dem Autor – erstmalig auch ein Redakteur einer weiteren renommierten überregionalen Tageszeitung vor Ort. Über die „Ladies German Open“ wollte der passionierte Golfspieler indes nicht berichten. Grund, so berichtet die schockierte Pressesprecherin: „Eine der beiden Favoritinnen fand er zu dick.“