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Schily geht es nicht schnell genug

Vom Objekt der Mitmenschlichkeit zum „Abschiebematerial“: Der Innenminister will 180.000 Kosovo-Albaner loswerden, und zwar schnellstmöglich  ■   Von Eberhard Seidel

Berlin (taz) – „Die Lufthansa wird in Zukunft die Reisepässe ihrer Fluggäste nicht am Abflughafen fotokopieren.“ Der Sprecher der Fluggesellschaft, Thomas Jachnow, erteilte damit Innenminister Schily (SPD) eine Absage. Der berichtete gegenüber dem Spiegel von entsprechenden Plänen, um so den Manipulationen mit den Pässen durch Asylbewerber entgegenzuwirken. Viele Asylbewerber würden auf dem Flug nach Deutschland ihre Pässe vernichten. Damit Fluggesellschaften diese Amtshilfe leisten können, so Jachnow, müßten erst die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden.

Auf Ablehnung stieß die Forderung von Schily nach einer konseqenten Rückführung der in Deutschland lebenden Kosovo-Albaner bei Flüchtlingsorganisationen. Gegenüber dem Spiegel erklärte Schily, es genüge nicht, nur die 15.000 aus Makedonien evakuierten Kontingentflüchtlinge zurückzuführen: „Es leben hier schätzungsweise 180.000 Kosovo-Albaner, für die eine Verpflichtung besteht, Deutschland zu verlassen.“ Auf die Frage, was mit dem geschehe, der nicht zurückkehren wolle, meinte der SPD-Politiker: „Der muß trotzdem gehen.“

Für den Sprecher von Pro Asyl, Bernd Mesovic, hat sich Schily binnen weniger Wochen von einem Realisten zu einem Populisten in dieser Frage gewandelt. Bislang habe Schily die Auffassung vertreten, daß es unmöglich sei, die Bürgerkriegsflüchtlinge vor dem Frühjahr 2000 zurückzuschicken. Auch Stefan Delöken vom UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) irritiert die plötzliche Eile des Ministers angesichts der hohen Rückkehrbereitschaft der Kosovo-Albaner. Immerhin seien seit Ende des Krieges 730.000 Flüchtlinge in das Kosovo zurückgekehrt. Aufgrund der instabilen Lage in der Region hält das UNHCR die Menschen weiterhin für schutzbedürftig. Die Organisation spricht sich deshalb für eine Verlängerung der Aufenthaltsbefugnisse der 15.000 Kontingentflüchtlinge aus, die in den nächsten Wochen enden.

„Wenn es möglich ist, sollen die Leute gehen“, meint Bosiljka Schädlich von Südost Europa Kultur e.V. Allerdings sollte man keinen Druck auf die Leute ausüben, sondern Rückkehrpläne mit den Betroffenen und ihren Organisationen ausarbeiten. Für Anetta Kahane, Leiterin der Regionalstelle für Ausländerangelegenheiten Berlin, sind Schilys Äußerungen ein fatales Signal an die Bevölkerung: „Die Albaner sind offensichtlich nur solange Objekt von Mitmenschlichkeit, solange man sie braucht. Jetzt sind sie wieder Abschiebematerial.“

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