Die neue Rächtschreibung: Der Tausendfüßler muss umlernen
■ Teil 7: Ski laufen und Skilaufen
Der Countdown in den Printmedien läuft: Am 1. August stellen die deutschen Presseagenturen auf ndR (neue deutsche Rechtschreibung) um. Die Tageszeitungen werden sich dem anschließen. Die taz bremen wird der Kulturrevolution vom 1. August schon mal ein bisschen vorgreifen: Bis zum August finden Sie jeden Mittwoch an dieser Stelle eine Lektion in neuer Orthographie – vorgestellt von Bremer DeutschlehrerInnen. Und nicht nur das – im Zuge unseres kleinen Lehrgangs – werden wir die neue Schreibweiseauch gleich peu à peu einführen.
Vor kurzem habe ich in meiner 2. Klasse einen Diktattext ausgeteilt. Er begann: „Wohin man auch schaut. Es taut, es taut. Alles ist naß. Vorbei ist der Spaß!“ Sofort kamen verschiedene Kinder zu mir: „In dem Text ist ein Fehler! Naß schreibt man mit ss!“ Nicht zum ersten Mal stellte ich fest, dass die Kinder die Regeln für die neue Rechtschreibung besser beherrschen als ich. Es ist für sie selbstverständlich, dass nach einem kurzen Vokal ein doppelter Mitlaut kommt, dass das ß nur nach einem langen Vokal stehen kann.
Für die Kinder, die mit der neuen Rechtschreibung aufwachsen, gibt es überhaupt keine Probleme. Die neue Regelung, nur noch nach dem langen Vokal ein ß zu schreiben, kommt ihrem Sprachgefühl offensichtlich entgegen. Die übrigen Änderungen, die die Rechtschreibreform mit sich bringt, betreffen uns in der Grundschule wenig. Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen verstehen die Aufregung um die neue Rechtschreibung nicht. Längst sind die ersten Bücher mit neuer Rechtschreibung angeschafft. Und das Nebeneinander mit alten Büchern macht den Kindern keine Probleme. Elternängste, dass ihre Kinder jetzt in Sprech- und Schreibverwirrung geraten, sind wirklich aus der Luft gegriffen. Man muss in den neuen Fibeln schon lange blättern, um auf einer Seite mehr als eine Schreibänderung zu finden, die durch die Rechtschreibreform bedingt ist. In der „blauen Fibel“ heißt es z.B. auf der Rätselseite:
Du kriegst sie gratis,
zweimal sogar.
Erst sind es zwanzig,
dann dreißig und noch ein Paar.
Gib gut auf sie Acht,
sonst machen sie Qualen.
Und brauchst du die dritten,
dann musst du bezahlen.
Die beiden Änderungen in der Schreibweise schaden weder der Qualität des Gedichtes noch der Verständigung zwischen Eltern und Kindern.
Zum Spaß noch ein Witz von der Nachbarseite:
„Wie gerne würde ich auch mal zum Ski laufen gehen“, klagt der Tausendfüßler. „Aber bis ich meine Bretter dranhabe, ist der Winter vorbei.“
In diesem Fall sind Verlag und Tausendfüßler etwas zu eifrig mit der Umstellung auf die neue Rechtschreibung gewesen. Skilaufen ist hier ein Substantiv und wird zusammengeschrieben. Das wird der Tausendfüßler sicher auch bald merken, noch bevor der nächste Winter vorbei ist.
Übrigens: Jana aus der zweiten Klasse freut sich schon auf die nächste Rechtschreibübung: „Nun kann ich meinen Eltern etwas Neues beibringen.“ Diesen Spaß sollten wir den Kindern gönnen.
Julie Kohlrausch, Grundschule am Baumschulenweg
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