Freizis: „Marode Substanz“

■ Viele städtische Freizeitheime vegetieren ohne frische Impulse dahin: Was können freie Träger verbessern? / Vor allem für mehr Personal und größere Etats sorgen

Für den sechzehnjährigen Hasan und seine Kumpels ist es ein Tag wie jeder andere: „Nicht viel los in Vegesack“, murren die fünf Jungs, als sie durch die Fußgängerzone ziehen. Und da sie keine besonderen Pläne für den Nachmittag haben, und es sowieso gerade zu regnen anfängt, beschließen sie: „Mal beim Freizi vorbeigucken.“ Im Freizi Alt-Aumund am Aumunder Heerweg bietet sich ihnen das übliche Bild: Es wird gekickert und geklönt, ein paar junge Mädchen spielen Billard, in den Proberäumen haben sich zwei Bands eingeschlossen. Ansonsten gibt's im Bremer Norden nichts Neues. Alltagsstimmung. Abhängen.

Wie im Vegesacker Freizeitheim sieht es in vielen Jugendeinrichtungen in Bremen aus. Frischen Wind haben die meisten Häuser schon lange nicht mehr verspürt. Geld für Neuanschaffungen gibt es nur wenig, weil die städtischen Zuschüsse auf einem „Nullwachstum“ hängengeblieben sind. Außerdem stoßen sich die Heimleiter ständig am behördlichen Übereifer: „Schon wenn wir bei der Verwaltung eine neue Neonröhre beantragen, muß das zig Mal gegengezeichnet werden“, hört man aus verschiedenen Bremer Einrichtungen. „Es dauert ewig, bis alles wieder funktioniert.“

Dabei gibt es Änderungswünsche en masse. Hasan beispielsweise möchte lernen, mit einer Gitarre umzugehen, und fände dafür ein bißchen Unterstützung vom Freizi sehr hilfreich. Aber wirkliche Hoffnungen macht er sich nicht. „Es gab hier ja auch mal 'ne Schlagzeuggruppe“, weiß der Jugendliche. „Aber selbst das ist jetzt vorbei. Da mußte wohl gespart werden“, mutmaßt er.

Die sechzehnjährige Svetlana hätte gerne „mehr Sozis“ im Haus. Dementgegen merkt sie aber, daß das Freizi-Personal immer weiter zusammenschrumpft. Zwar werden Besucher wie sie von immerhin drei festen Mitarbeitern betreut; außerdem sind auch gelegentlich freie Aushilfen im Haus. Dennoch: Vor einigen Jahren gab es noch fünf feste Stellen – und von zwei weiteren Honorarkräften mußte sich Svetlana gerade erst in den letzten Wochen verabschieden. Deren Verträge wurden nicht mehr verlängert.

Die Behörde betont trotz allem, daß für Aushilfskräfte ein Budget von 15.000 Mark bereitsteht. Gleichzeitig weiß aber der Personalrat: Diese Mittel sind eingefroren. Die scheidenden freien Mitarbeiter der Freizis können es drehen und wenden wie sie wollen – entgegen offiziellen Behördenangaben besteht eine Einstellungssperre. Kein Wunder, daß bei den Jugendlichen der Eindruck entsteht, mit Zuschüssen werde geknausert.

Sollten sich im nächsten Jahr also freie Träger an den Bremer Jugendeinrichtungen beteiligen, erwartet sie eine Menge Arbeit. Wie die taz berichtete, wird im Freizi Thedinghauser Straße bereits ein Konzept für eine Zusammenarbeit zwischen Stadt und Deutschem Roten Kreuz entworfen. Auch Verbände wie der Arbeiter-Samariter-Bund oder die Johanniter würden auf lange Sicht gerne in den Freizeitheimen mitarbeiten. Damit könnten die einzelnen Häuser auf mehr Geldmittel hoffen. Denn: Die staatlichen Zuschüsse sollen nicht gekürzt werden. Stattdessen ist vorgesehen, mit den Privaten im Boot die Freizi-Etats aufzustocken – und damit für einen neuen Drive in der Jugendarbeit zu sorgen.

Einen Energieschub könnten die Häuser auf jeden Fall gut vertragen, findet der Vegesacker Freizi-Mitarbeiter Klaus Bock. Was er mit einem größeren Budget und mehr Eigenverantwortung vor Ort machen würde? Da gerät der Mittvierziger ins Schwärmen: „Computer fürs Büro und für die Kids wären schön“, findet er. „Oder eine vernünftige transportable Verstärkeranlage bei den Konzerten. Oder einfach nur neue Vorhänge.“ Auch wenn die Fassade des Freizis gerade generalsaniert wird – Erneuerungsbedarf scheint genug zu bestehen. Der Großteil der Einrichtung ist nämlich schon mindestens so lange im Haus, wie Bock selber – und das sind mittlerweile über sechzehn Jahre. „Da ist die Substanz mit der Zeit marode geworden“, beobachtet der Vegesacker.

Falls sich die Strukturen ändern, sollen auch die Kids im Freizi mehr Mitspracherecht haben, sagt Klaus Bock. Daß die nämlich eine gewaltige Motivation an den Tag legen können, weiß der Freizi-Mann aus eigener Erfahrung: Vor einigen Monaten hat er mit einer Gruppe Jugendlicher den Vegesacker Beirat besucht. Zusammen setzten sie sich für den Bau einer Skate-Bahn in der Nähe des Vegesacker Hafens ein. „Da gab es von den Kids ganz vielseitige Ideen“, erinnert sich Bock. „Die Mädchen haben sich für die Sicherheit und Beleuchtung der Anlage interessiert. Den Jungs ging es mehr um die Action.“ So ein Engagement im Freizi selbst – da könne man doch sicher einiges erreichen.

Doch mit derlei Einsätzen werden alle Beteiligten jetzt erst einmal fünf Wochen warten müssen. Das Freizi Alt-Aumund geht nämlich in die Sommerpause: Die dürftige Personalsituation hat einen Ganzjahresbetrieb unmöglich gemacht. tin