■ Warum die Grünen die Doppelspitze nicht mehr brauchen: Koch und Kellner
Ein Bundesminister Trittin, der schlechte Landtagswahlergebnisse in Hessen oder Bremen öffentlich der angeblichen realpolitischen Verwerflichkeit der jeweiligen Bündnisgrünen vor Ort anlastet, grüne Bundestagsabgeordnete à la Metzger oder Scheel, die ebenso öffentlich dessen Rücktritt fordern – und weit und breit kein Parteivorsitz, der in der Lage wäre, solchen Unfug schon im vorhinein zu verhindern.
Das wäre nicht weiter schlimm, wenn es schon Preise für die Kunst gäbe, als Regierungspartei die Rolle der eigenen Opposition gleich möglichst formvollendet mitzuliefern. Soweit sind wir aber noch nicht.
Vom Bundeskanzler stammt der Spruch, in einer rot-grünen Koalition auf Bundesebene müsse klar sein, wer Koch und wer Kellner sei. Je „grüner“ die Themen, um so häufiger scheint der Kellner aber mittlerweile auch dort als verantwortlich, wo der Koch Gerichte aus der Küche läßt, für die kein Michelin einen Pfifferling, geschweige denn einen Stern herauszureichen bereit wäre – vom Altauto bis zur Atomwirtschaft. Das liegt nicht nur, aber auch an Strukturen, die wir uns auf Bundesebene immer noch leisten. Ob politischer Gegner oder Partner, wer aus welchen Gründen auch immer daran interessiert ist, die Bündnisgrünen politisch möglichst kurz zu halten, findet in der bisherigen Schwäche der Doppel- und damit Vielstimmigkeit eine verläßliche Stütze. Den Doppelspitzen selbst, ob Radcke oder Röstel, ob Müller oder Schlauch, ist dabei nicht der geringste Vorwurf zu machen. Ihre Arbeit beruht auf dem erklärten Wunsch der Mehrheit der Partei, auf Bundesebene mit doppelter Spitze und damit auch mit doppelter Zunge vertreten zu sein.
Das mag unter Bedingungen der Opposition für den innerparteilichen Frieden oder für innerparteiliche Quoten- und Strömungsbedürfnisse gut gewesen sein. Allerdings erweist es sich als wenig produktiv, wenn es um die Durchsetzungsfähigkeit der Grünen als Regierungspartei geht. Da sind klare Standpunkte ebenso gefragt wie die Fähigkeit, sie mit einer Stimme glaubwürdig und erfolgreich nach außen zu vertreten Rupert von Plottnitz
Der Autor ist grüner Justizminister in Hessen
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