Der ewigen Franzi entkommt sie nicht

■ Sandra Völker wird EM-Dritte über 100 m Freistil, hängt aber van Almsick nicht ab

Berlin (taz) - Die Tropfen perlten ihr noch die Stirn herab, außer Atem aber war sie nicht. Bloß schnippisch. Sandra Völker, Titelverteidigerin und Favoritin, war nur Dritte geworden über die 100 m Freistil der Schwimm-EM, berührte 33 Hundertstel nach der Britin Sue Rolph (55,03 sec) den Beckenrand. Immerhin: Franziska van Almsick schlug als Achte an, aber das war ja zu erwarten.

Auch der große Alexander Popov hatte Minuten zuvor nur Silber über 100 m Freistil gewonnen - geschlagen vom Niederländer Pieter van den Hoogenband (48,47 sec).

„Eine Medaille ist immer gut“, sagte Völker und lächelte doch noch. Aber ihre Augen lächelten nicht mit. Lag es an der Taktik? „Ne“, sagte sie. Die Saisonplanung sei nicht auf die EM zugeschnitten, sondern auf die Kurzbahn-WM und Weltrekorde, versuchte ihr Trainer Dirk Lange zu relativieren. Wie auf Knopfdruck hatte Völker (25) kürzlich in Monte Carlo den Weltrekord über 50 m Rücken verbessert, aber dafür gab es vom Prinzen auch 30.000 Mark.

Wenigstens ist sie in der Türkei ihrem ewigen Schatten davongepflügt, der bekanntlich Franziska van Almsick heißt, vier Jahre jünger und derzeit viel langsamer ist. Doch wie schnell Völker auch schwimmt, van Almsick sitzt ihr stets im Nacken: Jahrelang litt sie unter der Strahlkraft der showkompatiblen Berlinerin. Dann tauchte van Almsick unter, und Völker schlug immer öfter als Siegerin an. Sieh an, lobten die Journalisten, die ewige Zweite hat sich endlich freigeschwommen vom Alpdruck Almsick - nicht ohne süffisant anzumerken, daß sich bei ihrer Vermarktung einfach kein Franzi-Faktor einstellen wolle.

Am Montag kassierte die Hamburgerin ihr erstes Gold für den Staffel-Sieg über 4 x 100 m; wer da neben ihr auf dem Siegertreppchen stand, war natürlich die unvermeidliche van Almsick. Prompt hat mancher ein „neues Wir-Gefühl“ entdeckt und siegestrunken gefragt: Und, wie versteht Ihr beiden Euch so? „Ach, ganz gut“, hat Völker geantwortet und damit alles gesagt. Denn natürlich wird die kühle Athletin es genießen, wenn die Bild-Zeitung sie als „Gold-Nixe“ feiert. Und natürlich wird es Völker wurmen, daß es nach wie vor keinen Artikel über sie gibt, in dem der Name der Rivalin nicht fiele. Aber es muß halt menscheln, was sonst gibt das Wett-Kraulen an Schlagzeilen her?

So gesehen sollte Sandra Völker hoffen, daß sich van Almsick rechtzeitig für Sydney 2000 zu alter Form aufschwingt: alt das Duell, neu der Gesprächsstoff.Denn so ist das im Schwimmen: Erfolg ist langweilig, und dritte Plätze sind es erst recht. Rüdiger Barth