■ Ausgrenzung von Juden unverändert: Bubis zieht bittere Bilanz
Berlin (AP/epd) – Sehr negativ hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland seine bisherige Arbeit bewertet. „Ich habe nichts oder fast nichts bewirkt“, sagte Bubis in einem Interview mit dem Stern. Jüdische und nichtjüdische Deutsche seien einander fremd geblieben. „Ich wollte diese Ausgrenzerei – hier Deutsche, dort Juden – weghaben. Ich habe gedacht, vielleicht schaffst du es, daß die Menschen anders übereinander denken, anders miteinander umgehen. Aber nein, ich habe nichts bewegt“, sagte Bubis weiter. Er sei heute seinem Vorgänger Heinz Galinski näher, „auch was das Verbittertsein betrifft“. Trotz aller Verbitterung sei er aber nach sieben Jahren nicht amtsmüde.
Der deutschen Politik warf Bubis vor, zuwenig für das Geschichtsbewußtsein getan zu haben. Im Zusammenhang mit der deutschen Einheit habe er sich vergeblich bemüht, daß die Zeit des Nationalsozialismus als Teil deutscher Geschichte im Einigungsvertrag oder im Grundgesetz etwa in einer Präambel verankert werde. „Wir sind auf taube Ohren gestoßen bei Wolfgang Schäuble, auch bei der damaligen Opposition“, sagte Bubis.
Michel Friedman, Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden, widersprach gestern der Selbstkritik des Präsidenten. Sie sei ungerechtfertigt und Ausdruck seiner Bescheidenheit. Bubis habe sehr viel bewegt und sei ein großes Vorbild, so Friedman. Sein größtes Verdienst sei die Verdopplung der Mitgliederzahl in der jüdischen Gemeinschaft auf jetzt rund 80.000 Menschen.
Der SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel bezeichnete Bubis' Rückschau als „zu pessimistisch“. Der Vorsitzende des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ sagte, zwar gebe es noch immer besorgniserregende Dinge, wie beispielsweise die hohe Zahl antisemitischer Straftaten im vorigen Jahr. Es würden aber auch ausgesprochen positive Zeichen sichtbar, die Bubis in seinem Resümee nicht berücksichtigt habe. Kommentar Seite 9
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