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Hürdenlauf zum Bahnhof

■ Beim Bahnhofsvorplatz scheitern Behinderte / Trotz Hilfen bei der Planung ist alles anders: Rollstuhlfahrer vermissen Rampen, Blinde können Leitstreifen nicht finden

Die positive Bilanz der BSAG und des Bauressorts über die Umgestaltung des Banhofsvorplatzes täuscht. Zwar werden Mängel eingestanden – an Behinderte aber hat man offensichtlich nicht gedacht. Denn der Platz ist für Blinde und Rollstuhlfahrer nur schlecht passierbar. „Immer wieder scheitert man an Kleinigkeiten“, erzählt Matthias Botter vom Verein „Selbstbestimmt Leben“.

Diese Mängel sind verwunderlich. Schließlich war der Verein am Anfang an den Planungen beteiligt. „Wir haben die Pläne gesehen und mit Leuten vom Bauressort zusammengesessen“, erzählt Botter. Und dann war der Platz für 33 Millionen Mark fertig – „aber man hat nicht sorgfältig genug nachgedacht“, klagt Annette Paul vom Blindenverein.

Für Blinde und Sehschwache zum Beispiel wurden zwar Leitstreifen gelegt, die Sehbehinderte direkt vom Bahnhof in die Stadt führen sollen. „Aber die fallen überhaupt nicht auf“, beschwert sich Annete Paul. Kräftige Farbkontraste fehlen den Sehschwachen. Aber die wären dem Bauressort zu „unästhetisch“ gewesen, weiß Paul. Jetzt herrscht graues Einerlei: die Blindensteine haben den gleichen Farbton, wie die Pflasterung. Auch mit dem Stock sind die Rillenplatten nicht zu spüren: Einen Unterschied zum Mosaikpflaster drumherum lasse sich kaum ausmachen. „Eigentlich bräuchte man daneben einen glatten Streifen“, findet Paul.

„Am Schlimmsten aber ist die Angst, auf die Straßenbahnschienen zu laufen“, erzählt Paul. Der Blindenverein favorisierte eine kleine Kante, damit ganz deutlich wird: ab hier beginnt der Verkehr. Statt dessen gibt es unauffällige Rillenplatten. Annette Paul vermeidet den Bahnhofsvorplatz deswegen. Alleine ist ihr das Umsteigen noch viel zu riskant.

Nachlässigkeit wirft sie der Behörde vor. Bei einer Begehung Richtung Breitenweg ist die blinde Frau kürzlich auf Mülleimer, Pfosten und einen Baum gestoßen – mitten auf dem Orientierungsstreifen. Ausgerechnet hier sind auch die Gullis plaziert. Der Blindenstock kann sich leicht im Rost verfangen. Und wenn die Spitze abbricht, „kann man den Stock wegwerfen“, erzählt sie.

Dem Rohlstuhlfahrer Matthias Botter geht es ähnlich – auch seine Mängelliste ist lang. Wenn er zum Busbahnsteig oder Taxistand will, findet er erstmal keine Durchfahrt für Rollstühle. Abgesenkte Bordsteine gibt es erst ganz am Ende des Platzes. Um mal schnell ein Brötchen zu holen, muß Botter Riesenumwege und Slalomkurs in Kauf nehmen. „Irreführend ist das“, beschwert sich Botter. Auch hier endet eine Absenkung abrupt vor einem Baum.

Über den Grünplatz hat sich Botter zwar gefreut. Nur von der Vertiefung wußte er nichts. Zwar gibt es hier zwei „richtig gute Rampen“ – allerdings sind beide auf der Seite vorm Überseemuseum. Botter müßte einmal um den Platz kurven, um runter zu kommen. „Warum hat man nicht eine Rampe direkt am Eingang vom Bahnhof platziert“, fragt er.

Auch der Neubau des Cinemaxx war im Preis inbegriffen. Hier gibt es behindertengerechte Rampe und Toilette. Und Extra-Plätze für Rollstuhlfahrer. Allerdings in der ersten Reihe. „Hier kann ich zwar aufs Klo gehen, nur gucken kann ich nicht“, schimpft Botter. pipe

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