: Wie Piratensender legal „on air“ gehen
■ Berühmt berüchtigt war Norderneys Radio-Sturmwellensender SWS / Jetzt mit Lizenz
Nicht nur die Leute, „die nach Norderney kommen sind reif für die Insel, auch die Insel war reif für einen Radiosender, der diesen Leuten Laune macht“, erzählt Michael Wurpts. 1986 schleppte er einen UKW-Sender von 40 Watt mit auf die Insel – das war die Geburtsstunde von Radio SWS, dem „Radio-Sturmwellensender“. Um Lizenzen kümmerte sich Wurpts dabei nicht im geringsten: On air – das ging auch ohne offizielle Erlaubnis. So machte der Piratensender schließlich Insel-Geschichte.
Höhepunkte waren vor allem die „Rheumasendung“ am Samstag, in der Dr. Zapletal und Dr. Rheumabund ihr Unwesen trieben. Von der Live-Operation ohne Narkose bis hin zur Beantwortung der „Hörer-Briefe“ wendeten die Sendepiraten jedes „akustische Medikament“ an, um Urlauber in gute Stimmung zu versetzen. Ein besonderer Höhepunkt war 1986 die 24-Stunden-non-stop-Silvestersendung. Auf die ist der jetzige Geschäftsführer Wurpts besonders stolz: „Wir werden heute noch manchmal auf die Sendung angesprochen.“
Immer wieder allerdings sahen die Äther-Piraten mißtrauisch auf die ankommenden Fähren: Denn die brachten nicht nur Urlauber auf die Insel, sondern vielleicht auch den Peildienst der Deutschen Bundespost. Bei 2.6 Millionen Übernachtungen im Jahr war ein Auffliegen des Senders nicht unwahrscheinlich.
Im April 1987 war es so weit. Ein Fernmeldetrupp der Post und ein Kripo-Beamter waren gelandet und enterten das Sendestudio. Um 16:57 Uhr stellte Radio SWS Norderney „seinen Sendebetrieb vorübergehend ein“ – das war die letzte Meldung aus dem Äther. Immerhin für fast fünf Jahre. Wurpts und seine Crew mußten sich in der Zeit vorm Amtsgericht rechtfertigen. Wegen des Verstoßes gegen das Fernmeldeanlagengesetz wurden die Sendegeräte beschlagnahmt, 500 Mark Geldbuße für die Radiopiraten gab es obendrein.
Erst 1994 witterte Wurpts wieder „Morgenluft“: die niedersächsische Landesregierung hatte ein neues Landesrundfunkgesetz beschlossen. Hörfunklizenzen sollte es jetzt auch für den sogenannten Veranstaltungsrundfunk geben. Die Landesmedienanstalt stimmte zu. Seit 1995 sendet Radio-Sturmwellensender wieder an Wochenenden in der Saison – als immerhin einzig deutscher Insel-Hörfunksender.
Beim Insel-Sender herrscht allerdings momentan Ebbe in der Kasse. Die Werbeeinnahmen reichen gerade aus, um die Kosten für die Lizenz zu erwirtschaften. Neben dem Radio haben die Ex-Piraten noch einen Hauptberuf.
Besucher der Insel können den Sender auf der Frequenz 104,0 Mhz empfangen. Radio SWS ist auch im Internet vertreten: http://norderney-radiosws.de. dpa/taz
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