■ Kolumbien: Die Waffenruhe ist vorbei: Der torpedierte Frieden
Kolumbien kommt nicht zur Ruhe. Seit dem Wochenende kamen bei Guerilla-Anschlägen und bei Gefechten zwischen Armee und Guerilla über 100 Menschen ums Leben. Und das in einem Moment, in dem eigentlich über Frieden gesprochen wird.
Doch die Hoffnungen sind verflogen. Als Präsident Andrés Pastrana vergangenes Jahr sein Amt übernahm, hielten es viele für möglich, dass nach 40 Jahren Bürgerkrieg eine neue Ära einziehen könnte. Einige Monate später sieht alles so aus wie gewohnt: Autobomben, Guerillaoffensiven gegen Bauerndörfer, breit angelegte Militäraktionen, wie die vom Montag, bei der 40 Guerilleros ums Leben kamen. In Kolumbien nichts Neues. Jeder Versuch der Regierung, mit der größten Guerilla des Landes, den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (Farc), ins Gespräch zu kommen, scheiterte.
Die Farc hat die Treffen immer abgesagt. Es ging der Gruppe darum zu zeigen, wer in Kolumbien das Heft in der Hand hält. Attacken und Entführungen setzte sie gezielt fort. In den Kriegsjahren hat die Logik der Gewalt das politische Projekt ersetzt. Entführungsgewerbe und Drogenhandel sind lukrative Einnahmequellen der Guerilla. Würde sie die Waffen abgeben, verlöre sie an Einfluss und Macht.
Mit ihrer Politik der Nadelstiche lässt die Farc Präsident Pastrana aussehen wie den Klassenschwächling, auf dem alle herumtrampeln. Aus einem Gebiet, so groß wie die Schweiz, ließ Pastrana das Militär abziehen, die Farc hat dort praktisch die Staatsgewalt übernommen. Damit erfüllte er die Bedingung der Guerilla für Friedensverhandlungen. Gebracht hat das bislang nichts. Dem Frieden ist Kolumbien derzeit weiter entfernt als noch am Anfang dieses Jahres. Vermutlich lässt sich Pastrana bewusst von der Farc vorführen, um dann richtig losschlagen zu können.
Denn auch der Präsident spricht vom Frieden und bereitet den Krieg vor. Während Pastrana sich mit Guerilla-Kommandanten im Urwald traf, erhöhte er gleichzeitig den Verteidigungsetat, sein Verteidigungsminister bat die USA um verstärkte Militärhilfe. In Interviews kündigte er an, er sei notfalls dazu bereit, die Farc vom Militär aus der von ihr kontrollierten Zone vertreiben zu lassen. Der Diskurs in Kolumbien wird immer bellezistischer. So ist es dann wohl nur eine Frage der Zeit, dass Pastrana zum Gegenschlag ausholt. Er kann sich darauf berufen, lange genug gewartet zu haben. Nur: Dann steht Kolumbien wieder bei null. Ingo Malcher
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