Das einst stabile Namibia wird zum Krisenherd

■ Militär bekämpft bewaffneten Aufstand von Separatisten im entlegenen Caprivi-Streifen. Die Provinzposse direkt an der Grenze zu Angola gefährdet die regionale Stabilität

Johannesburg (taz) – Ein Aufstand im sogenannten Caprivi-Streifen hat zur bislang größten Krise Namibias seit der Unabhängigkeit geführt. Zwar ist der Versuch der Rebellen, die Provinzhauptstadt Katima Mulilo im Nordosten des Landes einzunehmen, vorerst gescheitert. Doch bleibt die Lage dort äußerst gespannt. Gestern herrschte Ausnahmezustand, Schulen und Geschäfte waren geschlossen.

Regierungstruppen gingen am Montag hart gegen die Aufständischen vor, die am Sonntagabend den Flughafen und eine Polizeistation besetzt hatten. Am Montag drangen die Rebellen außerdem in das Gebäude des staatlichen Rundfunks vor. Die Gefechte dauerten bis zum späten Nachmittag, und nach Augenzeugenberichten waren auch die ganze Nacht hindurch Schusswechsel zu hören. In den Kämpfen kamen mindestens 13 Menschen ums Leben.

Bislang ist noch unklar, wer genau hinter dem Aufstand steckt und von wo aus er gestartet wurde. Die Regierung in Windhuk aber ist nervös und ließ die Grenzen zu den Nachbarländern Angola, Botswana und Sambia schließen. Präsident Sam Nujoma verhängte am Montagabend den Ausnahmezustand über die gesamte Region, ein lang gestreckter Landzipfel, der nach dem ehemaligen deutschen Reichskanzler Leo von Caprivi benannt ist und 1890 von Großbritannien an das damalige Deutsch-Südwest-Afrika übergeben wurde. Das absurde Produkt kolonialer Grenzziehung – maximal 80 Kilometer breit, aber fast 500 Kilometer lang – ist zwar die ärmste Gegend Namibias, für das Land aber strategisch wichtig, weil es eine Verbindung nach Sambia und Simbabwe herstellt.

Schon seit Monaten ist es im Caprivi-Streifen unruhig. Seit Oktober 1998 sind etwa 2.500 Menschen aus der Caprivi-Region nach Botswana geflohen, nachdem die Regierung aufgrund von Sezessionsplänen immer härter gegen die Bevölkerung vorging. Zum Ärger von Nujoma wurde den Flüchtlingen Asyl gewährt. Zu den Chefs der bewaffneten Aufständischen zählt Mishake Muyongo, früher Vorsitzender der oppositionellen Demokratischen Turnhallenallianz (DTA), die im Caprivi ihre Hochburg hat, und einstmals auch prominentes Mitglied der Befreiungsbewegung und heutigen Regierungspartei Swapo. Nachdem sich Muyongo im vergangenen Jahr für eine Abspaltung des Caprivi-Streifens ausgesprochen hatte, wurde er von der DTA zwar hinausgeworfen, verfolgte seine Pläne aber weiter – zusammen mit dem Gouverneur der Region, John Mabuku. In der bettelarmen Bevölkerung treffen sie auf Sympathie. Muyongo selbst erhielt mittlerweile Asyl in Dänemark.

Die Aufständischen werden aus Sambia unterstützt und möglicherweise auch von den Unita-Rebellen in Angola, wenn auch letzteres bislang nicht erwiesen ist. Unita-Basen sind nur wenige hundert Meter von der Grenze entfernt, und während die Regierungen von Namibia und Angola auf Seiten von Laurent Kabila in der Demokratischen Republik Kongo gegen kongolesische Rebellen kämpfen, erhalten diese wiederum Hilfe von Angolas Unita.

Sollte sich die Krise im Nordosten Namibias ausweiten und tatsächlich Unita die Hände im Spiel haben, wäre das seit der Unabhängigkeit 1990 politisch stabile Land ein neuer Krisenherd. Präsident Nujoma spricht bislang von den Abtrünnigen nur als „Terroristen“ und einem „teuflischen Bündnis von Unzufriedenen“. Die Forderungen der Caprivi-Region werden im fast 1.500 Kilometer entfernten Windhuk ignoriert. Stattdessen engagiert sich die Regierung lieber im aussichtslosen Krieg Kabilas. Ähnlich wie in Simbabwe stößt das Kongo-Engagement auch in Namibia unter der Bevölkerung auf wenig Gegenliebe.

Nujoma, der 1998 für eine dritte Amtszeit als Präsident die Verfassung ändern ließ, regiert ohnehin zunehmend autokratisch. Bei den nächsten Wahlen Ende dieses Jahres drohen ihm nun Verluste. Die Opposition formiert sich – so hielt der neugegründete Congress of Democrats des früheren prominenten Swapo-Mitglieds Ben Ulenga am vergangenen Wochenende seinen ersten Parteitag mit rund 500 Delegierten aus allen Teilen des Landes ab. Ulenga, ehemaliger Botschafter in Großbritannien, wirft der Regierung Korruption, Missmanagement und eine zunehmende Verarmung der Bevölkerung vor. Seine Partei hat durchaus Chancen, zur stärksten Oppositionskraft aufzurücken.

Kordula Doerfler