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Von Brauchitschs kapitaler 28-Ender

■ Die Ausstellung Silberschätze aus dem Baltikum im umstrittenen Ostpreußischen Landesmuseum zu Lüneburg instrumentalisiert Erinnerungen für politische Zwecke

Spricht der ehemalige CDU- Innenminister Kanter von Ostpreußen als deutschem Raum, weiß man nicht so genau, ob er die politische Vergangenheit oder die wirtschaftliche Zukunft meint. In der Gegenwart bedarf es nur wenig mehr als vierzig Minuten, um Ostpreußen zu erreichen, zumindest den Ort, an dem die Kultur der alten Ostprovinz gepflegt wird. Denn dass die jüngere deutsche Geschichte es nicht erlaubt, das „Ostpreuß-ische Landesmuseum“ in Kaliningrad zu lokalisieren, dürfte klar sein. Als Teil des Kulturwerks der Vertriebenen befindet es sich nunmehr im hansischen Nachbarort Lüneburg – ob das nun Sinn macht oder nicht.

Bei Exponaten wie dem Geweih des hochkapitalen 28-Enders, den Generalfeldmarschall Walter v. Brauchitsch 1941 im ehemals kaiserlichen Jagdgut Rominten sehr zum Verdruss von Reichsjägermeister Herman Göring erlegt hat, möchte man für die sofortige Schließung des Museums plädieren. Und tatsächlich ist die 43- Millionen-Mark schwere Kulturförderung nach dem Bundesvertriebenengesetz in den kritischen Blick von Kultur- Staatsminister Naumann geraten: Mittelkürzungen sind angedacht und Zusammenlegungen von Häusern, z.B. des in Lüneburg mit dem Westpreußischen Landesmuseum in Münster.

Doch betrachtet man die Exponate zu den ostpreußischen Forschern, Denkern und Künstlern wie Nicolaus Copernikus, Immanuel Kant oder Lovis Corinth, möchte man eher dankbar sein für ein Museum, das sowohl von links, wie von rechts angegriffen wird. Ein sachlicher Umgang mit der nur noch wenig bedachten, doch über lange Zeit deutsch geprägten Kultur im östlichen Ostseeraum scheint schwer.

Dass die kulturellen Einflüsse weiter gehen als alle politischen Grenzen, die zudem seit Jahrhunderten und zuletzt erst vor wenigen Jahren verändert wurden, belegt auch die neueste Sonderausstellung des Hauses: „Silberschätze aus dem Baltikum“. Kirchensilber, Zunftsilber und private Prachtstücke aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind nicht nur ein prunkendes Beispiel alter Handwerkskunst, sie belegen auch, wie sehr sich die deutschstämmige Oberschicht an den eher süddeutschen, beispielsweise augsburgischen Formvorgaben orientierte.

Doch wiederum bedarf es keiner all zu großen Reisen, um an die feinen Stücke zu gelangen, die meisten davon sind ohnehin seit langem in westdeutschem Besitz. So wird der „Willkomm der Revaler Schneidergesellen“ in Darmstadt verwahrt, der „Schatz der Compagnie der Schwarzen Häupter zu Riga“, der Tafelprunk einer im Spätmittelalter gegründeten hansischen Kaufmannsvereinigung, im Bremer Roselius Haus. Und die vergoldete Deckelkanne der Revaler Schumachergesellen von 1665 leiht das Altonaer Museum aus.

Schön, dass sich Kaufmannsglück und Reichtum in so erlesenen Objekten manifestieren, noch längst nach dem Untergang der Welt, in der sie entstanden. Gegen eine genießende Erinnerung da-ran ist gewiss nichts einzuwenden. Wie weit diese aber dann politisch instrumentalisiert wird, bleibt kritisch zu prüfen.

Hajo Schiff Eröffnung: Fr, 7. August, 19.30 Uhr, bis 31. Oktober, Ostpreußisches Landesmuseum, Ritterstrasse 10, Lüneburg

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