: Ein Dorf, eine Insel im Fluss
Heimatklänge in Berlin, die vierte Woche: Totò la Momposina aus Kolumbien und ihre Band Asere pumpt den vergreisten Son aus Kuba mit neuen Energien auf. Im Tempodrom hat sie ein Heimspiel ■ Von Andreas Becker
Immer noch ist nicht geklärt, ob es sich bei den Verrichtungen der Band der letzten Woche nun um Punk-Salsa handelte. Der Ansager der Heimatklänge meinte jedenfalls, es sei einfach nur Punk gewesen. Was natürlich auch Quatsch ist. Die Label flirren im Signifikantennebel, würden Linguisten hier dichten. Eine Bekannte, die gerade aus Guatemala („da wird gar nicht getanzt“) zurück nach Berlin gezogen ist, meinte, sie wolle jetzt endlich „Salsa“. Gibts aber nicht, sagten wir.
In der ersten Hälfte des Konzertabends trat Sängerin Totò solo auf, später wurde sie durch drei jüngere Frauen unterstützt. Die bunten Röcke und die irgendwie recht traditionelle Form der Darreichung ließen bei einigen – so zum Beispiel bei einem sonst bevorzugt im Maria residierenden Kollegen – extremen Folklore-Verdacht und daraus resultierenden Missmut aufkommen.
Totò jedenfalls hatte ein Heimspiel. Einige Fans hatten sie schon 1992 beim Carnevale Caribe bei den Heimatklängen erlebt, damals mit ihrer eigenen Band. Diesmal hat die Kolumbianerin eine Band mitgebracht, die u.a. den Son (Buena Vista Social Club) in Kuba mit neuer Energie aufpumpt. Die Kubaner wurden nicht nur von Totò entdeckt, sie erfand angeblich auch ihren Namen Asere. Das wilde Flirren der Musikschubkästen macht auch vor den Promotern von Totò nicht Halt. In einem Fax mahnten sie bei den Heimatklängen an, auf keinen Fall zu vergessen, dass sie nicht mit einer Band kommt, die unter ihrer Regie steht. Stattdessen sei der Hintergrund der Kollaboration Folgender: „Columbian roots grandmother joins Cuban soul brothers“. Ob Totò sich selbst als Wurzel-Großmutter sieht, darf man bezweifeln. Sie wuchs in dem Dorf Talaigua auf, das auf der Insel Mompos liegt. Die Insel liegt in der Flusslandschaft des Magdalena, der von den Anden bis in die Karibik fließt. Hier siedelten im sechzehnten Jahrhundert die Spanier und vertrieben die Ureinwohner brutal in den Regenwald. Später mischten sie sich mit geflüchteten Sklaven. Deren afrikanische Roots mischten sich mit denen der Kolumbier, was eine hochexplosive perkussive Mischung entstehen ließ und den Tanz Cumbia. Totò lernte schon als Kind tanzen und singen. Ihr Vater war Drummer, die Mutter ebenfalls Sängerin. Als junge Frau zog sie von Dorf zu Dorf und sammelte Rhythmen und Tänze. 1968 gründete sie ihre erste eigene Gruppe. In den Siebzigern tourte sie durch Lateinamerika, Europa und die USA. Bei einer dieser Tourneen muss auch ein Schriftsteller namens Gabriel Garcia Márquez auf sie aufmerksam geworden sein. Der jedenfalls nahm die Sängerin mit zur Verleihung des Nobelpreises 1982 in Stockholm. Erste Platten spielte Totò la Momposina Mitte der Achtziger ein, nachdem sie mehrere Jahre an der Pariser Sorbonne studiert hatte.
Die zweite Konzerthälfte mit Asere wirkte kraftlos. Das aber wird sich, wir kennen das von den Heimatklängen, mit zunehmender Konzerttätigkeit legen. Und fragen Sie mich nicht, ob das Salsa war. Punk war es definitiv nicht.
Asere meets Totò la Momposina, Fr. und Sa. 21.30 Uhr, So. 16 Uhr, Tempodrom am Ostbahnhof, Friedrichshain
Als junge Frau zog Totò in Kolumbien von Dorf zu Dorf und sammelte Rhythmen. 1968 gründete sie ihre erste eigene Truppe
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