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Noch barfuß, schon mondän

■ Das neue Image von Vera Bila: Beim Festival „The Magic Sound of Gypsies“ wird es die Auftritte ihrer Kollegen zu sehr überschatten

Der Set für einen magisch-realistischen Videoclip: Auf einem Hocker vor den Geldautomaten in einem schmierigen Spielsalon hängt eine sehr korpulente Frau. Eine Spielerin ist zu sehen, eine Spielsüchtige. Soziales Elend, was sich gemeinhin weniger gut vermarkten läßt, funktioniert sehr wohl für die Inszenierung einer neuen Hoffnungsträgerin der Musikbranche: Vera Bila.

Das Set für eine Verkaufssituation in der Abteilung Weltmusik: Auf Cover und Booklet der CD „Queen of Romany“ ist augenscheinlich die selbe Frau abgebildet – in ein besseres Tuch, roten Samt gehüllt, in edlerer Pose, auf einem mondäneren Möbelstück sitzend, etwa einem Diwan, mit einem üppigen Strauß Blumen in der linken Hand. Die Szenerie suggeriert: Eine Vertreterin der eigentlich ausgestorbenen Spezies der Gypsy Queens.

Folgt ein „Zigeuner“-Herbst auf den gerade tobenden Kuba-Sommer? Wenn ja, ist das alles andere als politisch inkorrekt. Der „Zigeuner“, vielgeschunden als Projektionsbild des Fremden zwischen Verklärung und realer Diskriminierung, ist hier, in der Musik (wenn auch nur hier), durchaus kein Negativ – sondern Inbegriff der Virtuosität und des gefühlvollen Spiels.

Statt aber auf das musikalische Vermächtnis ihres Volkes zu setzen, auf orientalisch beeinflusste Roma-Folklore, produziert die 1,60 Meter kleine Vera Bila Popmusik mit lateinamerikanischen Einflüssen, begleitet von einem Trupp allesamt in gerader Linie verwandter Mannsbilder. So darf man durchaus die kapverdischen Inseln assoziieren, die Heimat Cesaria Evoras, mit der die „Romakönigin“ nicht nur die Vorliebe für Barfuß-Performances teilt. Was bei ihr, die aus einem postsozialistischen Nest in der Nähe der Bier- und heute eher Industriestadt Pilsen stammt, Roma bleibt, sind die tieftraurigen Texte, die sie alle in ihrer Muttersprache singt – und die existenzielle Freude an der Musik.

Nachdem die Vermarktungsmaschine des Labels BMG gerade angesprungen ist, fällt der Berliner Auftritt der Frau mit der heiseren Stimmgewalt, die stoisch jeglichen Rummel von sich abprallen lässt, in eine Art Übergangsphase – ist sie hierzulande noch weitgehend unbekannt, prognostiziert man ihr aufgrund von hohen Albumverkäufen beispielsweise in Frankreich langfristig weltweiten Ruhm. Und so ist ihr Konzert auch nicht – noch nicht – Teil einer organisierten Deutschland-Tour. Für das drei Tage dauernde Festival „The Magic Sound of Gypsies“ in der Off-Location Zitadelle Spandau hat sich Vera Bila spontan entschieden – und entzieht sich dabei konsequent dem gängigen Kulturmanagement.

Nach ihrem Konzert am Samstag wird sie ihr Haupt nicht im City-Hotel, sondern im Johannesstift Spandau betten und von dort am frühen Sonntag wieder nach Tschechien entschwinden. Trotzdem scheint das via massiver Promotion geschaffene Image Bilas die Auftritte ihrer Künstlerkollegen weit zu überstrahlen. Dabei gibt es neben dem Roma-Pop der Vera Bila die seltene Gelegenheit, russische Zigeunermusik der Formation „Trio Lokyo“ zu hören. Und auch der Auftritt des Berliner Sinti-Jazzgeigers Martin Weiß dürfte nicht weniger aufregend als der von Vera Bila werden.

Das „Zigeunerische“, das sie alle verbindet, ist wohl die ungemeine Intensität und Unmittelbarkeit ihrer Bühnenpräsenz. Immer spiegeln sie ihre Zeit und ihre Umgebung, und in wunderschönen ekstatischen Momenten werden Sinti und Roma die emotional unterversorgten deutschen Gadjos in Scharen gefangen nehmen.

Markus Tischer

6. 8. Trio Lokyo, 7. 8. Vera Bila, 8. 8. Martin Weiß Ensemble, jeweils 21 Uhr, Zitadelle Spandau am Juliusturm

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