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: Auch schön, wenn keiner kommt

■ Wer montags ins Kumpelnest geht, könnte möglicherweise alle treffen. Und Reinhard putzt mit nacktem Oberkörper die Fenster

Montagabend. Kumpelnestabend. Ein Jour fixe. Eingeführt aus der Sehnsucht nach einem Ort, an einem Tag, an dem man unverabredet ALLE trifft. Jeder weiß, wenn er mich sehen will, dann muss er am Montagabend ins Kumpelnest gehen. Und trotzdem kommt nie jemand. Oder sehr selten. Cord hat das eingeführt, d. h. er sitzt dort jeden Montag, schon am frühen Abend, um den Spiegel zu lesen. Ich habe gesagt: Dann lass uns doch hier treffen, jeden Montag, und er hat sich gefreut, weil er sowieso immer da ist. Das ist alles. Und ich sage immer allen, die mich treffen wollen: Montagabend im Kumpelnest, da könnt ihr mich immer treffen; und keiner kommt, weil sie immer genau am Montag etwas anderes vorhaben. Oder weil es ihnen zu weit ist. Deshalb sitzen wir dort meistens zu zweit oder zu dritt.

Heute Abend hat Cord abgesagt. Letzten Montag war ich in München und die nächsten vier Montage werde ich in Schweden sein. Sommerpause. Deshalb heute definitiv die letzte Gelegenheit, wer mich noch einmal sehen will. Ua und Lorenz wollen kommen.

Wir radeln die Potsdamer runter um acht, es ist immer noch heiß. Man muss keine Jacke mitnehmen. Sven auf dem viel zu kleinen lila Fahrrad seiner Schwester, weil seins kaputt ist. Wir sind die ersten Gäste. Draußen stehen Bierbänke und ein Tisch mit drei Stühlen. Wir setzen uns an den Tisch. Reinhard steht mit nacktem Oberkörper auf einer Leiter und putzt Fenster. Vor Jahren einmal bediente er in einem roten und komplett durchsichtigen Umhang, und darunter war er nackt. Ich konnte gar nicht mehr wegsehen, so sehr war ich hin- und hergerissen von ungläubigen Staunen und Begeisterung.

Reinhard legt auch immer die beste Musik auf. Deshalb lohnt es sich früh zu kommen, weil er – leider – meist nur noch die Frühschicht macht. Von fünf bis zehn. Er ist in dem Moment fertig mit dem Fensterputzen, als wir uns setzen, und er bringt uns Bier – ein Bud, ein Becks – an den Tisch, mit bekleidetem Oberkörper. Wie gesagt, wir sind die ersten Gäste, von den Freunden keine Spur.

Nebenan in der Asia Snack Bar sind fast alle Tische besetzt. Braune Plastikstühle. Wir sitzen auf Holzstühlen. An einem der Tische weint ein Chinese mit gelben Hemd und langem Zopf in eine Serviette hinein. Ein dicker Deutscher klopft ihm auf die Schulter und eine kleine Chinesin mit einem Kind isst ungerührt, als würde sie das Ganze nichts angehen. Das Kind schüttet Wasser in den Aschenbecher und lässt darauf kleine Schiffchen fahren. Später sitzt der Deutsche mit einem anderen Deutschen am Tisch, der weinende Chinese ist weg und der Dicke hält der kleinen Chinesin immer den Mund zu, wenn sie etwas sagen will. Sie beißt ihn in die Hand und er schreit vor Schmerz.

Die Abendsonne spiegelt sich in der schräg gegenüber liegenden Glasfassade und leuchtet uns golden ins Gesicht. Auch schön – denken wir uns –, wenn keiner kommt. Dann sind wir früh zu Hause.

Das erste Bier ist schnell getrunken. Wir unterhalten uns darüber, wie das früher anders war. Wen man immer oder oft hier getroffen hat und warum die nicht mehr hier sind und wohin die jetzt zum Trinken gehen, oder ob die gar nicht mehr trinken. Wir reden über Absturznächte und Taubstumme, die sich durch das Fenster hindurch unterhalten können.

Nach dem vierten Bier kommen Ua und kurz darauf Lorenz. Da haben wir schon gar nicht mehr damit gerechnet. Sven holt Stühle von drinnen und es werden noch einige Biere mehr und um halb eins bin ich müde. Lorenz gibt noch eine Runde Heimweg-Wodkas aus und dann radeln wir die Potsdamer wieder hoch, nach Hause.

Elke Naters