: Single-Kringel und Salamirette
■ Fleischermeister Dirk Sternfeld entwickelt Zukunftswürste
Ausgerechnet in Gelsenkirchen, im goldenen Dreieck zwischen Schalker Parkstadion, Zeche Pluto und Zentraldeponie Emscherbruch liegt die Zukunft der deutschen Wurst. An der malerischen Bismarckstraße zwischen „Ballermann 19 Pub“ und „Kleiner Kneipe“ forscht Fleischermeister Dirk Sternfeld hier an der Wurst fürs nächste Jahrtausend. Seit Jahren schon ist er auf der Suche nach dem Wurstprodukt der neuen Generation. Nach Single-Kringel, Salamirette und Bagwurst hat er jetzt die Wurstfritte entwickelt. Ist sie der lang erwartete Durchbruch?
Wie Dieter Bohlen am Mikro steht Sternfeld hinter seinerWursttheke: braune Haut, blaue Augen, helle Zähne. Dazu eine weiße Schürze mit roten Fleischstückchen drauf. Schummrige Luft senkt sich in den weitläufigen Hinterräumen über unzählige Aktenordner – alles geheime Unterlagen. „Single-Kringel“ prangt auf einem. Der weltweit kleinste Wurstring erreichte in diesen Labors Serienreife. Die Presse gibt sich begeistert: „Spannend wie ein Krimi aus dem Fleischerhandwerk“, jauchzte beispielsweise das Fachblatt Die Fleischerei.
Allerhöchste Zeit also für einen Blick auf die Würste der Zukunft: Single-Kringel, die Einmann-Portionswurst im Sterilschlauchdarm, wurde im Parkstadion geboren. Metzger Sternfeld verkaufte dort den Schalkern Erbsensuppe sowie Brat- und Fleischwurst im Brötchen. Und die Schalker ärgerten sich, weil da kein ganzer Fleischring reinpasste. Also bastelte der Meister den Winzkringel. Und freut sich immer noch drüber: „Gerade in unserer Zeit mit so vielen Single-Haushalten ein zukunftsträchtiges Produkt.“
In sieben Geschmacksrichtungen zwischen Kalbsleber und Geflügel glitscht die Wurstmasse weltweit durch die Finger, rinnt weich und zartfleischig den Hals herab. Der Experte: „Weich und schön anzufassen, macht die Wurst jungen Leuten Spaß.“
Vorbei auch die Zeiten des Samstagmorgenproblems, des verlegen gehauchten „Geben sie mir mal die Wurst, na die, die ich immer nehme halt“. Jetzt erkennt der Konsument seine Wurst zuverlässig wieder, dank Bunter Därme. Sternfeld brüstet sich: „Ich hab die klassische Schinkenblockwurst etwas erotisiert.“ Die heißt jetzt „Rosi's Schinken“. Rosi streckt dem Käufer kokett ihren rosa Schweinehintern entgegen und linst verführerisch. Nie wird der Verzehrer den Schinkenblock vergessen. Für Kinder gibt's Rennfahrersalami, für Machos „Kraftprotz“ und für den Rest „Heimliche Liebe“.
Noch in der Entwicklung befindet sich die Minisalami Salamirette in der Zigarettenschachtel. Zehn kleine Wurststengel sollen rund und glücklich machen statt krebskrank. Der Tüftler träumt: „Weg vom Gift, hin zur Wurst. Vielleicht stände da sogar ,Von der Gesundheitsministerin empfohlen‘ drauf.“
Die Bagwurst ist nicht bloß ein von Brötchenteig umhülltes Würstchen, vielmehr ein Meisterwerk an lebensmitteltechnischer Präzision! „Einmal in den Backofen geschoben, werden beide Komponenten der Bagwurst exakt zum gleichen Zeitpunkt gar“, doziert Sternfeld und schwenkt dazu begeistert im Takt den Zeigefinger. Monatelang hat er mit einem Bäckerkollegen experimentiert. Nie wieder stinkendes Bratfett, tropfender Ketchup. Statt labberigen Toasts eine knusprige Schrippe. O-Ton Metzger: „Die Bagwurst wird eines Tages nicht mehr aus dem Alltag wegzudenken sein, so einfach ist sie zu bedienen.“ Sogar die Pläne für Bagwurst-Automaten hat er schon im Aktenschrank.
Die Wurstfritten werden wie ihre Kartoffelkollegen oder gar mit ihnen zusammen frittiert. Die Pommeswurst wurde jetzt der Weltöffentlichkeit präsentiert: in den Geschmacksrichtungen Gyros, Döner schweinefleischfrei, Geflügel und vegetarisch. „Die Experten sagen, das wird vielleicht die neue Art des Wurstverzehrs“, offenbart Sternfeld. Die Wurstfritte – die Erfüllung des Fleischertraums? Gar die Wurst der neuen Generation? Der Wurstinnovator hofft's, gäbe sich aber auch mit weniger zufrieden: „Es ist schön genug, wenn meine Kinder sagen: Papa, du hast eine tolle Wurst gemacht‘.“ Konrad Lischka
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