: Die PKK streckt die Waffen
■ Zwei Tage nach Öcalans Aufforderung, die Waffen niederzulegen und aus der Türkei abzuziehen, gehorcht die PKK ihrem Führer. Sie sieht einen „Wendepunkt in der Geschichte des kurdischen und türkischen Volkes“
Istanbul (taz) – Nach 15 Jahren blutiger Auseinandersetzungen hat die Kurdische Arbeiterpartei PKK gestern mitgeteilt, man werde den bewaffneten Kampf beenden und bis zum 1. September alle Einheiten aus der Türkei zurückziehen. Die Erklärung ist eine Reaktion auf einen entsprechenden Aufruf des gefangenen PKK-Führers Abdullah Öcalan vom Dienstag. Damit hat die derzeitige kollektive Führung der PKK alle Spekulationen darüber beendet, ob die Partei dessen Autorität noch anerkennt. Wörtlich heißt es in der Erklärung:
„Unsere Partei gibt bekannt, dass sie die historische Erklärung Abdullah Öcalans voll unterstützt und alle ihre künftigen Bemühungen darauf stützen will. Die Erklärung ist ein Wendepunkt in der Geschichte des kurdischen und türkischen Volkes. Alle Organisationen unserer Partei und unsere internationalen Verbände werden darauf hinarbeiten, die Vorschläge einfühlsam, verantwortungsbewusst und diszipliniert in die Tat umzusetzen, um Frieden und Demokratie zu erreichen. Die türkische Regierung wird aufgefordert, darauf mit Einfühlungsvermögen, verantwortungsbewusst und diszipliniert zu reagieren.“
Die Organisation der PKK, die diese Entscheidung vor allem betrifft, ist die ARGK, der militärische Flügel. Vor allem diesen Kämpfern muss der Kurswechsel nun vermittelt werden. In einem Leitartikel der kurdischen Özgür Politika wird die Basis auf den Schwenk eingeschworen. „Ist Frieden in Kurdistan und der Türkei möglich?“, fragt das Blatt und erklärt, warum die Situation nie so günstig war wie heute. Allerdings müsse für den Frieden mindestens genauso hart gearbeitet werden wie zuvor im Krieg.
Die türkische Regierung sagt zwar, man werde sich auf keinen Handel mit der PKK einlassen. Diese Haltung bekräftigte gestern noch einmal Präsident Demirel. Trotzdem gehen gut informierte Beobachter wie der Chefredakteur des Massenblattes Hürriyet, Ertugrul Özkök, davon aus, dass hinter den Kulissen an einer Lösung der Kurdenfrage gearbeitet wird. Diese Spekulationen werden von öffentlichen Debatten genährt, in denen einflussreiche Mitglieder des Establishments, wie der frühere türkische US-Botschafter Sükrü Elekdag, offen für die Anerkennung einer kurdischen Identität eintreten und kulturelle Rechte für die Minderheit fordern. Gegenüber der taz sagte Ishak Alaton, einer der einflussreichsten türkischen Industriellen, der ebenfalls seit längerem eine politische Lösung der Kurdenfrage fordert, er gehe davon aus, dass sich das mächtige Militär aus einer solchen Entscheidung heraushalten würde.
Ob diese Erwartungen zutreffen oder nicht, wird sich vermutlich noch im September herausstellen. Gestern hat der Generalstaatsanwalt der Türkei gegenüber dem obersten türkischen Gericht erneut die Todesstrafe für Öcalan gefordert. Das Kassationsgericht wird nach den Gerichtsferien als Berufungsinstanz über das Öcalan-Urteil befinden. Wird die Todesstrafe bestätigt, müssen Parlament und Präsident über die Vollstreckung des Urteils entscheiden. Jürgen Gottschlich
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