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Alle Mann an Bord

Billig-Schiff liegt seit Tagen im Hafen fest. Besatzung darf es nicht verlassen, obwohl Trinkwasser und Nahrung knapp werden  ■ Von Elke Spanner

Verdienen wolle die Stadt Hamburg an Billigflaggen-Schiffen, sagt Ulf Christiansen, „Verantwortung übernehmen hingegen nicht“. Der Inspektor der „Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF)“ nimmt sich kaum die Zeit, in Ruhe seine Sätze zu Ende zu führen. Viel hat der Gewerkschafter zu tun, seit der Frachter „Verona“ im Hansahafen vor Anker liegt. Acht Seeleute können nicht von Bord, die Lebensmittel werden langsam knapp, das Trinkwasser auch. Und verantwortlich fühlt sich niemand. „Die Stadt muß eine zentrale Stelle für derartige Notfälle einrichten“, fordert Christiansen. Mittlerweile hat er dafür gesorgt, daß die Seeleute von der ehrenamtlichen „Hamburger Tafel“ versorgt werden.

Nicht am Pier, sondern an Dalben auf dem Fluß ankert die „Verona“ – und ist deshalb zum Gefängnis für die Besatzung geworden. Wegen Sicherheitsmängeln wurde der Frachter von der Wasserschutzpolizei am vorigen Wochenende auf der Elbe gestoppt und in den Hamburger Hafen zurückgeholt, den er mit einer Ladung Raps verlassen hatte. Normalerweise können sich Seeleute auch von den Dalben aus an Land begeben – mit dem Rettungsboot. Doch einer der Sicherheitsmängel der „Verona“ liegt ausgerechnet darin, dass das Rettungsboot nicht ausgeschwenkt werden kann. Die Besatzung ist auf dem Frachter gefangen.

An den Pfählen liegt das Schiff, weil dort in den ersten 14 Tagen keine Hafengebühren anfallen, erklärt ein Sprecher des Oberhafenamtes. Zahlen würde diese der Eigentümer des Schiffes, die Reederei „Arco Shipping“, nämlich nicht. Dass die Firma jegliche Zahlung für das Schiff verweigert, ist der Grund für die Notlage der Seeleute: Eigentlich muß die Reederei einen Agenten vor Ort beauftragen, sich um Schiff und Besatzung zu kümmern. Der könnte eine Barkasse mieten, mit der die Seeleute das Schiff verlassen können. Der bisherige Agent – „Wir wollen nicht erwähnt werden, wir haben damit nichts mehr zu tun“ – hat von der „Arco Shipping“ jedoch schon lange kein Geld mehr bekommen. Also gab er den Auftrag auf.

Kümmern müsste sich nun die Reederei selbst. „Arco Shipping“ firmiert offiziell in Malta, die „Verona“ läuft unter maltesischer Flagge. Doch dort ist nicht mehr als ein Briefkasten anzutreffen. Ihr Büro unterhält die „Arco Shipping“ in Schweden, weiß ITF-Inspektor Christiansen. Doch die Anrufe dort würden unter Verweis auf den maltesischen Firmensitz abgeblockt.

Obwohl derartige Fälle gar nicht so selten sind, gibt es in Hamburg kein Konzept, um den Seeleuten zu helfen. Häufig bleiben Schiffe im Hafen liegen, etwa weil die Reederei überschuldet ist. An Schuppen 17 schaukelt seit fast einem Jahr ein russischer Fischdampfer vor sich hin – den die Seeleute aber immerhin verlassen können. Anfang der 90er Jahre musste die Besatzung des nigerianischen Frachters „River Adada“ zwei Jahre darauf warten, endlich von Bord zu kommen.

In Bremen strandete vor rund drei Jahren ein zypriotischer Frachter. „Damals ist das Sozialamt unbürokratisch eingesprungen und hat Proviant und Taschengeld für die Besatzung zur Verfügung gestellt“, erinnert sich ITF-Bundes-Koordinator Ali Memon. „Das ist eine Menschenrechtsfrage.“

Hamburgs Sozialbehörden-Sprecherin Petra Bäurle sagt, grundsätzlich hätten die Seeleute keinen Anspruch auf Sozialhilfe, und „diesen komplizierten Weg zu versuchen, hätte in der akuten Notsituation nicht geholfen“. Über die „Hamburger Tafel“ seien die Seeleute nun zumindest übers Wochenende versorgt.

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