: Designerdrogen modernisieren das Goldene Dreieck
■ Thailands Militär versucht mal wieder, den Drogenschmuggel aus dem benachbarten Birma zu unterbinden. Längst wurde dort die Drogenproduktion um Aphetamine erweitert
Bangkok (taz) – Wenn man dem Rebellenmajor Sai Tong im Wa-Gebiet an der birmesischen Grenze glauben will, dann hat sich die Welt bislang schwer geirrt: Mit Opium oder modernen Designerdrogen habe seine Gruppe nichts zu tun, behauptete er bei einer eigens einberufenen Pressekonferenz in dieser Woche. Die Wahrheit sei viel harmloser – der Reichtum der „United Wa State Army“ (UWSA) beruhe auf einer lukrativen Diamantenmine. Der Grund für die erstaunliche „Klarstellung“ der Wa, die Experten zu den größten Drogenhändlerbanden der Welt zählen: Um eine wichtige Schmugglerroute aus dem Wa-Gebiet abzuschneiden, schloss Thailand am Mittwoch einen Grenzübergang im Norden des Landes.
Bereits in der Woche zuvor beschlagnahmten Thailands Behörden nach einem Zusammenstoß mit UWSA-Kurieren über 4 Millionen Amphetamintabletten und 14 Kilogramm Heroin. Die thailändischen Soldaten würden künftig jeden Drogenhändler, der einen Fuß über die Grenze setze, sofort erschießen, warnte Exarmeechef Chettha. 29 Kuriere sollen bereits getötet worden sein.
Ungewöhnlich scharfe Töne richteten thailändische Generäle auch an Birmas Militärjunta: Sie warfen ihr vor, mit den Wa unter einer Decke zu stecken und von deren schmutzigen Geschäften zu profitieren. Tatsächlich machte die Junta mit den Wa-Rebellen bereits vor 10 Jahren einen Deal: Die UWSA gab ihren Unabhängigkeitskampf gegen Rangun auf und erhielt dafür freie Hand für ihre Drogengeschäfte.
Die neue Anti-Drogen-Offensive der thailändischen Armee gehört zum jüngsten Kapitel in der Geschichte des Drogenhandels im Goldenen Dreieck – jener Region in Südostasien, wo Thailand, Birma und Laos aufeinandertreffen. Seitdem sich Birmas berüchtigter Opiumkönig Khun Sa vor Jahren mit den Militärs in Rangun arangierte, sind in den Opiumfeldern und Labors der hügeligen Grenzregion vor allem die Rebellen der ethnischen Minderheit der Wa aktiv. Ihr Chef, der chinesischstämmige Wei Hsuekang, und seine geschäftstüchtigen Brüder kooperieren mit Rauschgiftkartellen aus Laos, Thailand und China.
Seit längerem haben sich die traditionellen Opiumproduzenten zusätzlich auf eine zweite lukrative Einkommensquelle verlegt: In mobilen Küchen stellen sie Amphetamine und verwandte künstliche Drogen her. Das ist nicht kompliziert. Benötigt werden nur eine Pillenpresse und wenige Substanzen, die über Thailand und China herangeschafft werden.
Mit ihrer neuen Kampagne reagiert die Regierung in Bangkok auf die dramatische Ausbreitung des Amphetaminkonsums in Thailand: Waren es vor wenigen Jahren vor allem Busfahrer, Disko-Besucher und Studenten im Examensstress, die Amphetamine schluckten, so hat sich das inzwischen geändert: Mittlerweile kommen selbst Kinder in den abgelegendsten Reisdörfern an die „Yabaa“ (verrückte Medizin) genannten Pillen. Die 61 Millionen Thailänder werden dieses Jahr, so schätzt Bangkoks Drogenbehörde, 200 Millionen der orangefarbenen Tabletten schlucken, rauchen oder spritzen. Die Hälfte aller regelmäßigen Amphetaminkonsumenten ist unter 25 Jahre alt.
Als die schwere Wirtschaftskrise 1997 begann, erkannten die Drogenkartelle der Region ihre Chance: Arbeitslose und Frustrierte waren besonders anfällig sich als Dealer den eigenen Kick zu finanzieren. Entsetzt schrie die Öffentlichkeit auf, als bekannt wurde, dass Grundschullehrer ihr mageres Gehalt aufbesserten, indem sie die Kleinen süchtig machten. Da das Zeug aber nicht nur fröhlich macht, sondern auch Verfolgungswahn und psychotische Schübe auslösen kann, fehlten auch die gruseligen Berichte nicht: In der Presse erschienen immer wieder Bilder von amphetaminberauschten Vätern mit blutverschmierten Händen, die ihren Säuglingen das Messer an die Kehle hielten. Andere sprangen aus Furcht vor imaginären Feinden von der Brücke.
Druck auf Bangkok, endlich etwas zu unternehmen, kam auch aus dem Ausland. Denn längst tauchten die Pillen aus den Laboren des Goldenen Dreiecks auch in Europa und den USA auf. Ob die thailändischen Militärs die Drogenbarone wirklich treffen können, ist allerdings fraglich. Denn die Kuriere haben offenbar längst alternative Schmuggelwege parat – zum Beispiel über Laos. Zudem gibt es in Thailand selbst zu viele einflussreiche Politiker und Mafiosi, die vom Geschäft profitieren. Jutta Lietsch
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