Auswärtiges Amt bezieht Volkskammergebäude

■ Am Wochenende sind auch das Bundespresseamt und die Bundespressekonferenz an die Spree gezogen, doch ihre Amtssitze werden erst im nächsten Jahr fertig gebaut sein

Den Saal im 60er Jahre Ambiente kennt jeder Fernsehzuschauer: Die holzvertäfelte Wand, davor die lange leicht erhöhte Tischfront mit den Sprechern, der Kameraschwenk in den Raum, wo die mitschreibenden Journalisten auf blau gepolsterten Stühlen sitzen.

Die Bundespressekonferenz, der Zusammenschluss von Bonner Korrespondenten, hat seit 1949 zu rund 10.000 Pressekonferenzen geladen. Ab heute werden sie am Reichstagufer im Ende Oktober 1997 fertig gestellten Presse- und Besucherzentrum mit seiner hellen Stahl-Glas-Fassade stattfinden. Im April nächsten Jahres soll das eigentliche Haus am Schiffbauerdamm Ecke Reinhardstraße fertig sein.

Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung wird ebenfalls ab heute in Berlin arbeiten. Der Leitungsstab ist in die Neustädtische Kirchstraße in Mitte, andere Mitarbeiter in die Karl-Liebknecht-Straße am Alexanderplatz gezogen. „Sicherlich wird der Umzug sich auch auf die Politik und die Journalisten auswirken“, sagte Charima Reinhardt von den Grünen. „Sie werden nicht mehr so eng aufeinander hocken.“

Das Bundespresseamt zieht zunächst nur mit rund 250 Bediensteten an die Spree. Hinzu kommen die 63 Mitabeiter, die schon vor dem Regierungsumzug in Berlin gearbeitet haben, sowie rund 150 Angestellte, die vom Bundesinstitut für Berufliche Bildung, das nach Bonn zieht, in das Bundespresseamt wechseln. Erst wenn das Hauptgebäude des Bundespresseamtes, das ehemalige Postscheckamt an der Dorotheenstraße, im August 2000 fertig ist, kommen weitere Mitarbeiter nach Berlin.

Dann wird das Bundespresseamt – an seiner Spitze Sprecher und Kanzlervertrauter Uwe-Karsten Heye – inmitten von Geschichte und repräsentativem Ambiente die Politik der Bundesregierung verkaufen: Das Gebäude, das zwischen 1913 und 1917 errichtet wurde, war auf dem modernsten Stand der damaligen Kommunikationstechnik. In der Zeit zwischen den Kriegen wickelte die Post ein Fünftel ihres gesamten Scheckverkehrs dort ab.

Noch schneller als das Bundespresseamt war der Leitungsstab des Auswärtigen Amts: Rund zwei Dutzend Mitarbeiter gehen seit Freitag von Berlin aus ihren diplomatischen Geschäften nach. Allerdings konnte auch das Auswärtige Amt nicht in ein fertiges Haus einziehen. Nur ein kleiner Teil der ehemaligen Reichsbank am Werderschen Markt ist für die Bonner fertig. Das Gebäude wurde von 1934 bis 1939 in einer damals modernen Stahlskelettkonstruktion gebaut, die mit Natursteinplatten verkleidet wurde. In seinen drei Tiefgeschossen mit massivem Stahlbeton barg es die Tresoranlagen der Reichsbank: Dort, tief unten, lagen die Gold- und Devisenreserven des Dritten Reiches. Nach der Reparatur der Kriegsschäden konnte das Gebäude schon im Juni 1945 als Zentrale des Berliner Stadtkontors wiedereröffnet werden. 1954 zog das Finanzministerium der DDR dort ein. Ab 1958 nutzte das Zentralkomitee der SED das Haus. Mitte 1990 wurde es nach Bekanntwerden der Asbestbelastung des Palastes der Republik zum Sitzungsort der Volkskammer, die hier bis zu ihrer Auflösung am 2. Oktober 1990 tagte.

Annette Rollmann