: Stellvertreterkrieg im Kongo
Der seit Monaten schwelende Streit zwischen den beiden Schutzmächten der kongolesischen Rebellen, Ruanda und Uganda, entlädt sich in Kämpfen. Das Friedensabkommen scheint endgültig gescheitert ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – Hoffnungen auf Frieden in der Demokratischen Republik Kongo wurden am Wochenende endgültig enttäuscht, als ein offener Machtkampf um die Kontrolle der größten Stadt im Rebellengebiet, Kisangani, ausbrach. Sieben ugandische Soldaten sollen am Samstag bei Schießereien mit ruandisch unterstützten Rebelleneinheiten im Zentrum der Stadt ums Leben gekommen sein. Die Anspannung ist extrem. Der Flughafen der Stadt ist geschlossen, die Behörden haben ein Versammlungsverbot verhängt und die verängstigte Bevölkerung wartet in ihren Wohnvierteln ab, wie der Machtkampf sich entwickelt.
Vordergründiger Anlass für die Kämpfe war die Anreise von Ernest Wamba dia Wamba, Führer des von Uganda unterstützten Flügels der Rebellenbewegung Kongolesische Sammlung für Demokratie (RCD). Wamba sollte mit einem Vermittlerteam aus Sambia zusammentreffen, das sich auf Rundreise in der Region befindet, um die untereinander zerstrittenen Rebellen zu versöhnen. Die RCD, die vor einem Jahr mit Unterstützung Ruandas und Ugandas zum Kampf gegen das Regime von Laurent Kabila im Kongo gegründet wurde, ist seit April in einen von Ruanda unterstützten Flügel unter Emile Ilunga und einen von Uganda unterstützten Flügel unter Wamba gespalten. Die Spaltung hat bisher verhindert, dass die RCD das am 10. Juli von den ausländischen Kriegsparteien im Kongo unterzeichnete Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet, und verzögert daher den Beginn eines UN-überwachten Friedensprozesses im Kongo. Sambias Regierung, Vermittler bei diesem Friedensprozess, kündigte letzte Woche an, mit beiden RCD-Flügeln sprechen zu wollen.
Damit war eine Konfrontation vorprogrammiert. Kisangani ist nicht nur die größte Stadt im Rebellengebiet, sondern auch Inbegriff der Zerstrittenheit der Rebellen und der Rivalität zwischen Uganda und Ruanda um deren Kontrolle. In separaten Stadtvierteln sind Militäreinheiten aus Uganda und aus Ruanda stationiert, dazu Kämpfer der beiden rivalisierenden RCD-Fraktionen. Das Stadtzentrum gilt als neutrale Zone. Die Stadtverwaltung gehört zum Ruanda-treuen RCD-Flügel, und sie fürchtete nun antiruandische Demonstrationen bei Wambas Ankunft. Daher verhängte sie Ende letzter Woche ein Demonstrationsverbot, und Ruanda-treue RCD-Einheiten bezogen Stellung im Stadtzentrum.
Als Wamba einflog und von ugandischen Soldaten in ein Hotel im Stadtzentrum gebracht werden sollte, kam es zu Schießereien zwischen den Ugandern und den RCD-Kämpfern. Es gab auch Kämpfe am Flughafen, als die sambischen Vermittler einreisen wollten.
In einer vor der Schießerei verbreiteten Erklärung warf Wamba seinen Rivalen in der RCD vor, ihn und seine Anhänger „einschüchtern“ zu wollen. Ugandas Generalstabschef James Kazini sagte, die Ruanda-treuen RCD-Kräfte „versuchten die Ankunft der sambischen Delegation zu verhindern“. Und in einer klaren Schuldzuweisung sagte Kazini: „Sie operieren unter dem Kommando der ruandischen Armee.“ Damit sei Ruanda „Komplize“ bei den Kämpfen am Flughafen und beim versuchten Stopp der Einreise der Sambier. Mit dieser Erklärung hat Uganda seinen Verbündeten Ruanda für das etwaige Scheitern des Kongo-Friedensprozesses verantwortlich gemacht. Noch nie ist von so hoher Stelle eine solche Anschuldigung gemacht worden, die faktisch die Allianz zwischen Uganda und Ruanda gegen Kabila aufkündigt.
Uganda kann sich das leisten. Es unterstützt eine eigene Rebellenbewegung, die den Norden des Kongo kontrolliert – die „Kongolesische Befreiungsbewegung“ (MLC) unter Jean-Pierre Bemba. Anders als die RCD hat die MLC in letzter Zeit erhebliche militärische Erfolge erzielt und auch vor einer Woche das Kongo-Friedensabkommen unterzeichnet. Bemba drohte damals allerdings, seine Unterschrift wieder zurückzuziehen, sollte die RCD nicht bis gestern ebenfalls unterschrieben haben. Dies ist nicht passiert. Bemba hat außerdem dem Kabila-Regime bereits den Bruch des Waffenstillstands vorgeworfen, nachdem angeblich sudanesische Flugzeuge im Auftrag Kabilas am Mittwoch Luftangriffe auf Orte im Nordwesten des Kongo flogen.
Uganda sieht nun den Sieg greifbar nahe, da Bemba viel stärker ist als Kabila und – anders als die RCD – Beliebtheit im Kongo genießt. Uganda wünscht sich eine starke Regierung im Kongo, die vor allem den Norden des Landes an der Grenze zum Erzfeind Sudan unter Kontrolle hält. Es setzt auf die Kombination von Friedensprozess und Krieg, von politischem Druck und militärischem Nachdruck, um Kabila weiter zu schwächen und dem eigenen Verbündeten Bemba zu einer Machtposition in Kinshasa zu verhelfen. Je näher der Sieg, desto mehr wird der im Kongo unbeliebte ruandische Partner für Uganda zu einer Last.
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