: Hamburger FDP: „Alles Schrott“
Nach dem Parteiaustritt ihres Sprechers Lettow werfen Hamburgs Liberale mit Schlamm. Der Vorwurf: Landeschef ist nicht teamfähig ■ Von Peter Ahrens
Rainer Lettow denkt gern an die alten Zeiten. Vor zehn Jahren, als die FDP noch im Senat vertreten war und den stellvertretenden Bürgermeister stellte. „Das hat noch Spaß gemacht.“ Jetzt macht es ihm keinen Spaß mehr. Die FDP ist nur noch eine Drei-Prozent-Partei und Lettow seit dem Wochenende nicht mehr ihr Mitglied. Der Sprecher der Partei warf den Kram hin und sagt: „Wer die Hamburger Liberalen in den letzten Jahren auch geführt hat – das war alles Schrott.“
Rücktritt vom Sprecherposten und gleich noch den Parteiaustritt dazu: „Damit ich wenigstens die Wahrheit sagen kann.“ Seine Wahrheit sieht so aus: In der Hamburger FDP sitzen „nur Ewiggestrige, die jede Kreativität im Keim ersti-cken“. Die Bundespartei „nimmt die Hamburger doch schon lange nicht mehr ernst“. Lettow, der zwölf Jahre in der FDP war, sagt: „Die Partei ist dabei, sich zu zerstören.“
Die Hamburger FDP sei zur Erneuerung nicht in der Lage, und das macht er auch an Personen fest. Der 63jährige Landesvorsitzende Kurt Hansen sei nicht teamfähig und außerdem ein Mann, „den in Hamburg kein Mensch kennt“. Und der langjährige FDP-Bundestagsabgeordnete Rainer Funke habe eine „Ausstrahlung wie ein Tannenbaum, der schon zwölf Jahre im Wohnzimmer herumsteht“.
Funke gibt die Komplimente an Lettow zurück: „Der war immer so ein Paradiesvogel, nur aufs Poppige bedacht.“ Den Austritt könne man verschmerzen, der sei „nur eine Marginalie“. Und Hansen sei eben „ein kantiger Mensch, der sagt, was er denkt“. Damit sei Lettow nicht klargekommen. Der frühere Staatssekretär kreidet es auch dem Parteisprecher an, dass die FDP in Hamburg so schlecht da- steht. „Wir werden von den Medien praktisch nicht wahrgenommen, seitdem wir nicht mehr in der Bürgerschaft sind.“
Die Jungen Liberalen, die vor Wochen schon aufs realo-grüne Klientel spekulierten, halten sich in dem FDP-Streit vornehm zurück. „Lettow wird wissen, was für ihn richtig ist“, sagt der stellvertretende Juli-Landeschef Oliver Gross vorsichtig. Eine Vergreisung der Partei, wie Lettow für die Zukunft voraussagt, befürchtet er nicht. „Qualität ist nicht altersabhängig. Ein 70jähriger kann genauso gute Ideen haben wie ein 20jähriger.“ Die Julis seien jedenfalls hochmotiviert, sagt Gross. Außerdem machen die Jungen Liberalen keinen Hehl draus, dass sie auf Zuwachs vom realo-grünen Flügel hoffen. Nach dem Konzeptpapier der Jungrealos zur Zukunft der grünen Partei hatten die Julis schon einmal 300 Aufnahmeanträge in der Geschäftsstelle der Hamburger GAL abgegeben.
Dass die JuLis sich im Tonfall zurückhalten, liegt für den Ex-FDP-Mann Lettow auf der Hand: „Die Jungen ducken sich doch alle weg, weil sie insgeheim nach der nächsten Wahl auf einen Sitz in der Bürgerschaft spekulieren. Da will man halt nicht negativ auffallen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen