: US-Regierung lässt Hanfkillerpilz entwickeln
■ Fusarium Oxysporum macht Marihuana den Garaus und lässt sich problemlos vom Flugzeug abwerfen. Lateinamerikanischen Bauern graust: Der Killer frisst auch Bananen
Berlin (taz) – Ein Pilz soll im Kampf der USA gegen den Drogenhandel die Wende bringen. Einem Genlabor im US-Bundesstaat Montana ist es jetzt gelungen einen Pilz zu entwickeln, der Marihuana-Pflanzen befällt und absterben lässt, die übrige Fauna und Flora aber unbeschadet lässt. Die Forscher arbeiten zudem daran, die Erbmasse des Herbizides so zu verändern, dass es auch Koka-Pflanzen eingehen lässt. Entdeckt haben die Wissenschaftler den Pilz auf Bananenstauden.
In den Sümpfen von Florida hat die Marihuana-Pflanze bisher ein unbeschwertes Leben. Die Sonne scheint fast ständig, Wasser gibt es genug und die Pflanzen gedeihen zur Freude ihrer Besitzer prächtig. Bewacht von Blutegeln und anderem Getier und verborgen unter buschigem Gewächs waren die Sträucher bislang unerreichbar für die Häscher, Hubschrauber und Suchhunde der US-Drogenbehörde DEA. Trotz größter Anstrengungen waren die Erfolge der Behörde in den letzten Jahren mager, 55.000 Pflanzen konnte sie nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr in Florida vernichten, gerade mal ein Fünftel der Menge von 1992. Die Züchter waren einfach in bessere Verstecke ausgewichen.
Fusarium Oxysporum, so der Name des Pilzes, soll nun Abhilfe schaffen. Das Landwirtschaftsministerium gab bereits grünes Licht, den Pilz auf einem Versuchsgelände nahe Gainsville im Norden Floridas zu prüfen. Die lokalen Politiker sind begeistert, allen voran der republikanische Gouverneur Jeb Bush, ein Sohn des ehemaligen Präsidenten George Bush. Der steht im Ruf hart durchzugreifen. Dafür holte er sich Barry McCaffrey als Leiter der Abteilung der Drogenbekämfung nach Florida. Der Mann mit dem Spitznamen „Drogenzar“ koordinierte in Washington bereits die DEA-Strategie. Der Test ist auch Teil einer neuen Strategie der amerikanischen Drogenbekämpfung. Denn Siege im weltweiten Drogenkrieg werden immer spärlicher. Milliarden Dollar an Militärhilfe zahlen die USA an lateinamerikanische Staaten. Deren Militär soll im Gegenzug die Anbaugebiete zerstören und den Schmuggel in die USA unterbinden. Die zahlreichen in den Ländern stationierten Angehörigen der DEA greifen zumindest offziell nicht selbst aktiv ein, sondern fungieren als Beobachter und Ausbilder. Aber mehr als kleine Schlachten konnten sie nie gewinnen. Zudem wächst der Widerstand gegen diese Vorgehensweise. „Die bisherigen Bemühungen, die Herstellung und den Konsum von Drogen zu unterbinden, sind gescheitert“, erklärten Bürgermeister lateinamerikanischer Metropolen im Oktober 1997. Innenpolitisch stehen die Regierungen Lateinamerikas immer größerem Druck der Koka-Bauern gegenüber. Denn deren Lebensgrundlage wird durch die Vernichtung der Pflanzen zerstört, ohne dass Alternativen angeboten werden.
Das Verhältnis zu den Partnern ist gespannt. Der peruanische Präsident Alberto Fujimori bekam das Misstrauen der Amerikaner bei einer Privatreise in die USA im Juni 1999 zu spüren, er wurde am Flughafen einer eingehenden Kontrolle unterzogen. „Ich fand es unangemessen, dass ein kleiner Angestellter mein Gepäck nach Drogen durchsucht“, gab er sich beleidigt. Auch Mexiko ist verstimmt. In einer Undercover-Operation mit dem Namen „Casablanca“ filzten DEA-Agenten im Mai 1998 Bankkonten und stellten größere Beträge an mutmaßlichen Drogengeldern sicher. Die US-Amerikaner hatten die dortigen Behörden nicht informiert, sondern waren auf eigene Faust vorgegangen. In Kolumbien geraten die USA zunehmend zwischen die Fronten des Kampfes der Regierung gegen die Guerrilla, die sich auch aus dem Drogenhandel finanziert.
Der Erfolg bei der Suche nach einem Killerpilz kommt also zum richtigen Zeitpunkt. „Diese neue Technologie ist viel sicherer als alle traditionellen Strategien“, sagt der republikanische Kongressabgeordnete Bill McCollum euphorisch. Er war einer der Architekten des 1998 im Kongress verabschiedeten 23 Millionen Dollar teuren Programms zur Entwicklung der Pilze. Die Idee, mit dem Flugzeug mal schnell über Kolumbien ein paar Tonnen Herbizide abzuwerfen und so das amerikanische Drogenproblem aus der Welt zu schaffen, klingt verlockend. „Der Pilz hat das Potenzial für die große Wende im Drogenkrieg. Er könnte die silberne Kugel sein“, sagt McCollum. „Er ist billig und effektiv zugleich“, preist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Kongress, Benjamin Gilman, die angebliche Wunderwaffe.
In Washington weiß man aber wohl genau, dass es schwierig sein wird, die Anbaustaaten von der Ungefährlichkeit des Herbizides zu überzeugen. Die US-Regierung musste bereits Vorwürfe von peruanischen Bauern zurückweisen, die von der Besprühung ihrer Felder berichteten. Dabei habe der Pilz ihre Bananenstauden befallen. Und dem Vorwurf, biologische Kriegsführung zu betreiben, möchten die USA sich nicht aussetzen.
Der Test des Pilzes in Florida ist umstritten. Selbst das Landwirtschaftsministerium, das die Versuche genehmigte, schränkt in einem Brief an Floridas Gouverneur ein: „Wir stellen klar, dass die Zusage keine Genehmigung für künftigen Gebrauch in freier Natur einschließt“. Größere Bedenken hat das Amt für Umweltschutz. Dessen Leiter, David Struhs, sieht die Gefahr, „dass sich der Pilz rasch ausbreiten könnte“. Unter den speziellen klimatischen Bedingungen in Florida sieht er die Gefahr, dass der Pilz seine Anlagen verändern und außer Kontrolle geraten könne. „Die Pflanzen verhalten sich einfach anders in Florida als sonst irgendwo.“ Bernd Dörries
Kommentar Seite 10„Diese Technologie ist sicherer als traditionelle Strategien. Der Pilz hat das Potenzial für die Wende im Drogenkrieg. Er könnte die silberne Kugel sein.“
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