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Die Linken sind misstrauisch

■ Kerstin Müller und Claudia Roth fürchten, linke Positionen würden beim geplanten Grünen-Treffen unter den Tisch fallen

Berlin (taz) – Führende Linke bei den Grünen kritisieren das geplante Strategietreffen, bei dem die Zukunft der Partei angeblich über Parteigrenzen hinweg diskutiert werden soll. Wie berichtet, will der ehemalige Bremer Umweltsenator Ralf Fücks dazu ausgewählte Parteifreunde einladen. Die Bundestagsabgeordnete Claudia Roth, die zu den Linken in der Partei, nicht aber zu den Eingeladenen gehört, sagte der taz: „Es ist ein politisches Täuschungsmanöver, wenn sie so tun, als sei es ein strömungsübergreifendes Treffen.“ In Wirklichkeit habe Fücks bis auf wenige Ausnahmen die „Realo-Elite“ eingeladen. Auch die grüne Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller kritierte, Fücks habe „selektiv eingeladen“ und damit „die Linke ausgegrenzt.“ Trotzdem sei es es „gut und legitim, wenn Leute gemeinsam überlegen, wohin es mit der Partei gehen soll.“ Der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele befürchtet, Fücks plane „einen zweiten Aufguss von Aufbruch 88“. Möglicherweise verfolge er damit das machtpolitische Ziel, die Position der Realos zu stärken.

Tatsächlich hatte Fücks vor elf Jahren schon einmal eine – erfolglose – Initiative zur Überwindung des Strömungsstreites gegründet. Der „Aufbruch 88“ ließ sich damals von den Realos vereinnahmen und machte sich damit selbst überflüssig.

Vor wenigen Tagen lud Fücks wiederum ein Dutzend grüner Politiker zu einem Treffen für Ende des Monats ein. Das Ziel: den Streit der verschiedenen Flügel bei den Grünen überwinden. Zu den Geladenen gehören unter anderem ausgewiesene Realos wie der baden-württembergische Fraktionsvorsitzende Fritz Kuhn und der Frankfurter Umweltdezernent Tom Koenigs.

Claudia Roth berichtete, auch die Parteilinken würden sich demnächst treffen, „um Vorschläge für das neue Grundsatzprogramm auszuarbeiten.“ Sie hält nichts davon, die Grünen in der „Neuen Mitte“ zu positionieren: „Natürlich sind wir ein sozialökologisches und radikaldemokratisches Projekt, das sich links ansiedelt.“ Den Begriff „links“ halte sie im Gegensatz zu anderen Grüne nicht für „altmodisch oder sozialromantisch“. In Zukunft müssten sich die Grünen mit dem Einsatz für den „ökologischen Umbau“, und die „Demokratisierung der Gesellschaft profilieren.“ Auch die „Zivilisierung der Außenpolitik“ sei ein wichtiges Thema.

Christian Ströbele weiß jedoch, dass es gerade beim Thema Außenpolitik unterschiedliche Meinungen innerhalb der Linken gibt. Bei den Abstimmungen über die deutsche Beteiligung am Militäreinsatz im Kosovo habe sich das gezeigt. Ströbele, der im Parlament gegen die Beteiligung deutscher Soldaten gestimmt hatte, bleibt trotzdem dabei: „Es gibt eine Mehrheit in der Partei für die pazifistische Position.“ Die Grünen müssten sich wieder „als Friedenspartei profilieren und links Flagge zeigen“. Nur so könnten sie bei den kommenden Landtagswahlen im Osten gut abschneiden. Auch Kerstin Müller setzt sich dafür ein, dass „die pazifistische Position im Grundsatzprogramm nicht ganz unter den Tisch fällt“.

Den jüngsten Vorschlag der grünen Parteisprecherin Antje Radcke, Ämter in Zukunft nicht mehr nach Proporz zu besetzen, halten Roth und Ströbele für „unrealistisch“. Ströbele sagte: „Proporz ist in der Politik notwendig, weil alle Strömungen eingebunden werden müssen.“ Kerstin Müller wünscht sich dagegen in Führungspositionen „Leute, die integrieren können“.

Antje Radcke beklagte, die Strömungskämpfe zwischen Realos und Linken schadeten der Partei. Es werde zwar immer Flügel geben und auch geben müssen: „Wir müssen aber aufhören, uns gegenseitig zu bekämpfen.“ Streit und Konflikte müssten sachlich ausgetragen werden, ohne gleich Personen zu beschädigen. Deshalb begrüße sie die Initiative von Ralf Fücks, Lösungen für die Konflikte zu finden. Tina Stadlmayer

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