Die neue Rächtschreibung: Komma (,) um in Ulm und um Ulm herum abzutrennen
■ Teil 9: Der Umgang mit den Fremdwörtern / Komma oder nicht: Vieles ist neu, aber alles Bisherige bleibt erlaubt.
Der Countdown in den Printmedien ist abgelaufen: Seit dem 1. August haben die deutschen Presseagenturen auf ndR (neue deutsche Rechtschreibung) umgestellt. Die Tageszeitungen werden sich dem an schließen. Die taz-Bremen hat / musste sich der Kulturrevolution vom 1. August anschließen. Damit Sie uns immer noch lesen können, finden Sie noch immer jeden Mittwoch an dieser Stelle eine Lektion in neuer Orthographie – vorgestellt von Bremer DeutschlehrerInnen.
Ganz unbefangen lachend kam er auf mich zu. Ohne zu zögern reichten wir uns die Hand und schlossen uns von allem Ärger befreit in die Arme. Ich war froh ihn gesund wiederzusehen und verzichtete auf alle Versuche ihn zu kränken.
Nach alter Regelung muss in diesem kleinen Text an insgesamt sieben Stellen ein Komma gesetzt werden. Wo? Wer Infinitiv- und Partizipailgruppen sicher erkennt, hat damit natürlich keine Mühe.
Für Schüler, die das erst lernen sollen, sieht das ganz anders aus. Und wenn sie ihre Regelen endlich gelernt haben, hört der Ärger noch lange nicht auf. Denn jetzt beginnen die vielen kleinen Flüchtigkeitsfehler. Kein Komma wird so gerne und häufig vergessen, wie das Komma vor und nach dem Infinitiv. Da hilft auch kein Korrekturlesen, denn die Schreib- und Lesepausen vor und nach dem Infinitiv sind sehr kurz und unauffällig. Was liegt näher, als das Komma immer wieder zu vergessen. Nur Lehrer merken es – jedenfalls am Anfang ihrer Aufsatzkorrekturen. Nach 22.30 Uhr auch nicht mehr.
Die Rechtschreibreform sieht vor, dass man in Zukunft auf das Komma vor und nach Infinitiv- und Partizipialgruppen verzichten kann (nicht muss). Beispiel: Ich war froh (,) ihn gesund wiederzusehen (,) und verzichtete auf alle Versuche (,) ihn zu kränken.
Und, liebe Schüler, die ihr diesen Artikel lest, lasset euch diese kleine Freiheit nicht wieder nehmen. Sie erspart euch pro Aufsatz im Durchschnitt fünf bis zehn Kommafehler. Und das ist schon etwas.
Anders ist das mit den Erwachsenen, die sich an dieser Stelle entscheiden müssen umzulernen oder nicht. Dieter E. Zimmer verordnet seinen ZEIT-Redakteuren weiterhin die Infinitiv-Kommas, „da sie der Satzgliederung und damit der Lesbarkeit dienen“. So verfahren auch die deutsch-sprachigen Nachrichtenagenturen und so werden es wohl auch die meisten Zeitungen übernehmen (auch die taz). Das Infinitiv-Komma bleibt uns also noch lange erhalten, jedenfalls in der Zeitung. Das wird aber kaum auffallen. Leser der Sportseiten werden es gar nicht bemerken, denn die Sportberichtserstattung ist nahezu „infinitivfrei“.
Hans Heinrich Rogge
Landesinstitut für Schule
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