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Zebrastreifen weiß und blau

taz testet die Liga (XI): Beim MSV Duisburg ist der Fußball so schlicht wie das Vereinslied, aber wer will denn schon lustvoll erspielten Abstieg?    ■ Von Katrin Weber-Klüver

Wird Fußball gespielt?

Spielen? Spaß haben? Die Angelegenheit ist wirklich zu ernst, als dass man sie verspielen dürfte. In Duisburg ist Fußball harte Arbeit. Fußballästheten sollten um das Wedau-Stadion am besten einen weiten Bogen machen. Denn hier halten Trainer und Mannschaft beharrlich „Tugenden“ (Wohlert) hoch, die Disziplin und Geschlossenheit heißen. Es wird konzentriert in der Abwehr geschuftet und konzentriert darauf gewartet, ob man ab und an mit einem Konter initiativ werden sollte. Kann, muss aber nicht. Wenn gar nichts mehr geht, gehen immer noch die kilometerweiten Befreiungsschläge von Stefan Emmerling. Torsten Wohlert, Manndekker und Kapitän, legt allerdings Wert auf die Feststellung, dass die Arbeitseinsätze des Teams sehr wohl auch spielerische Elemente haben: „Man sollte auch mal honorieren, dass hier nicht elf Mann am Sechzehner stehen und Beton anrühren.“ Stürmer Uwe Spies hingegen weiß: „Berauschender Fußball ist es nicht.“

Wer hilft?

Das Zebra. Das Zebra ziert, blau-weiß gestreift und sanftmütig, das Wappen. Dazu passend gibt es die Zebragirls, eine nette Cheerleadertruppe ohne jeden amerikanisierten Dünkel, manche Mädchen sind winzig und manche dick, manche beherrschen die Choreographie, manche eher nicht. Am allerbesten aber ist das Zebralied („Zebrastreifen weiß und blau, ein jeder weiß genau, das ist der M-S-V“), ein echter Evergreen von einer Wahrheit, so schlicht wie das Spiel des MSV, nur etwas ergreifender.

Wer stört?

Das Publikum, weil es sich beharrlich weigert, in großer Zahl im Wedau-Stadion zu erscheinen. Die Kalkulation für den Saisonschnitt wurde von 17.500 auf 17.000 reduziert, was immer noch optimistisch ist, weil der Schnitt in der vergangenen Saison bei 16.200 lag. In Wahrheit stört natürlich das Wedau-Stadion selbst am meisten. Nirgendwo sonst passiert es einem mit solcher Zuverlässigkeit, dass man eine Stunde nach Anpfiff auf die Uhr sieht, nur um festzustellen, dass es 15.34 Uhr ist.

Taugt der Trainer?

Jedenfalls, um eine No-Name-Truppe, die er selbst stets zu den Abstiegskandidaten rechnet, seit drei Jahren in der Liga zu halten, meist mit dem Abschlussrang acht. Dass das Spiel der Elf meist so freudlos ist wie das Feudeln eines Treppenhauses, kann man Friedhelm Funkel nicht vorwerfen. Sowas wie lustvoll erspielten Abstieg will ja schließlich auch keiner.

Taugt der Torwart?

Und wie. Gintaras Stauce sieht aus wie ein Zwillingsbruder Edwin van der Sars. Und könnten der Litauer und der Holländer ihre Fähigkeiten vereinen, gäbe es den perfekten Keeper. Van der Sars fußballerische Qualitäten hat Stauce nicht, dafür aber Reflexe auf der Linie, die atemberaubend sind. Dass Stauce inmitten der letzten Saison Stammtorwart wurde, half Duisburg, sich nach schlechter Hinrunde noch zur drittbesten Rückrundenmannschaft zu mausern.

Was tun die Neuen?

Die bekanntesten Neuen sind Alte. Michael Zeyer ist von einem einjährigen Ausflug nach Stuttgart zurückgekehrt, weil seine gestalterischen Fähigkeiten im Schwabenland überflüssig waren, aber in Duisburg gefragt sind. Publikumsliebling Stig Töfting wurde im Mai rührend in seine Heimat verabschiedet, weil seine Familie Heimweh nach Dänemark hatte. Kaum in Aarhus angekommen, hatte dann Töfting wahnsinnige Sehnsucht nach der Bundesliga. Der Kompromiss: Töfting bekommt künftig verlängerte Wochenendurlaube und muss immer erst dienstags wieder zum Training erscheinen.

Wie schießt man Tore?

Das ist ein Problem, das heißt, das Problem ist nicht wie, sondern wer die Tore schießt. Der Ex-Duisburger Bachirou Salou hat zwar Dortmund auch nach einem Jahr wieder verlassen, ist aber nicht wie Zeyer zum MSV zurückgekehrt. Erik Bo Andersen kündigte bei seiner Verpflichtung vor einem Jahr noch an, er werde etwa alle zwei Spiele einen Treffer erzielen, brachte es dann aber nur auf ein Tor pro Dutzend Einsätze. Und Uwe Spies ist besser als Vorbereiter denn als Torschütze. Immerhin hat er in der letzten Spielzeit das erste Tor der Saison erzielt. Quantitativ liegen die Hoffnungen auf Markus Beierle, der es in 28 Spielen auf 13 Treffer gebracht hat, darunter zwei Hattricks.

Wer ist der Beste?

Wenn es um kompromisslose Verteidigung – also das Herzstück des Duisburger Fußballs – geht, Thomasz Hajto. Der polnische Nationalspieler gibt alles, manchmal ist das mehr, als Schiedsrichter mit ansehen können. In der Vorsaison war manchmal oft, genauer gesagt 16mal. So oft bekam Hajto in einer Saison die gelbe Karte. Das ist Bundesligarekord.

Folge:

Langeweile, das jedenfalls ahnt Uwe Spies, der sagt: „Ich fürchte, wir werden wieder Achter.“

Gefühlter Tabellenplatz: 8

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