Innensenator hart gegen Libanesen

■ Ausländerbeauftragte will Altfall-Gnade für 20 Familien, für die Bremen schon lange der vertraute Lebensmittelpunkt ist

Zehn Jahre Deutschland – für die libanesische Familie Haidar heißt es trotzdem gnadenlos: Koffer packen. Am Mittwoch sollen Eltern und sechs Kinder nach Beirut abgeschoben werden – falls kein Wunder geschieht. Das wird immer unwahrscheinlicher, nachdem Innensenator Bernt Schulte (CDU) gestern ablehnte, im Vorgriff auf eine mögliche Altfallregelung die Abschiebung der Familie, deren drei jüngere Kinder nichts ausser Deutschland kennen, auszusetzen.

„Wir gehen davon aus, dass es überhaupt keine Altfallregelung geben wird“, so der Sprecher des Innenressorts, Hartmut Spiesecke. Bremens Ausländerbeauftragte Dagmar Lill hält dagegen: „Mir hat man im Bundesinnenministerium versichert, dass im Zweifel eine gesetzliche Altfallregelung kommt.“ Bisher galt für Altfall-Fragen das Konsensprinzip der Länder-Innenminister – tatsächlich aber haben diese sich seit dem Regierungsantritt von Rot-Grün zu deren angekündigter Altfallregelung – die vor allem menschliche Härten gegen Familien wie die Haidars vermeiden will – nicht geeinigt. Im November findet die nächste Innenministerkonferenz statt. Derzeit dulden nur die Länder Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland im Vorgriff mögliche NutznießerInnen. „Inoffiziell gibt es aber eine Reihe von Ländern, die Abschiebungen durch Verwaltungshandeln faktisch verhindern“, so Lill.

„Die Familie wegzuschicken ist ein Skandal“, sagen VertreterInnen eines breiten Bündnisses, das sich für ein Bleiberecht der Familie einsetzt. Dazu gehören der Kinderschutzbund, die Asylgruppe Ostertor, der Flüchtlingsarbeitskreis Walle und VertreterInnen der evangelischen Immanuelgemeinde, die der Familie bereits einmal Zuflucht gewährt haben. Sie sieht in der Familie Haidar einen Präzedenzfall. „Es gibt noch rund 20 weitere Familien, die aus ungesicherten Verhältnissen hierher geflohen sind, und jetzt trotz Kindern und langjährigem Aufenthalt von Abschiebung bedroht sind“, sagt Lill. Sie kennt Fälle armenischer Christen und weiterer libanesischer Familien.

Aus Sicht der UnterstützerInnen ist die Lage der Familie Haidar in mehrfacher Hinsicht ungerecht. Während zahlreiche andere Flüchtlinge aus Libanon noch kurz vor der Ankunft der Haidars 1989 die Duldung erhielten – und viele davon schließlich „legalisiert“ wurden – kamen die Haidars einfach „zu spät“; Asyl wurde den Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet abgelehnt. Jetzt steht die Familie, die aus der sogenannten militärischen „Sicherheitszone“ im Südlibanon stammt, erneut vor dem Aus. „Unser Dorf ist zerbombt. Überall liegen Minen. Meinem ältesten Sohn (15 Jahre, d. Red.) droht der Militärdienst“, sagt der Vater verzweifelt. Dem fast 50jährigen zerrinnen Zeit – und Durchhaltevermögen.

Der Unterstützerkreis der Familie will jetzt einen letzten Kraftakt unternehmen, um das Schlimmste zu verhindern. „Nach der UN-Kinderschutzkonvention dürfen minderjährige Flüchtlinge nicht weggeschickt werden, ohne dass ihr Wohlergehen gesichert sei, sagen sie. Genau dies aber drohe den Kinder der Haidars. Die Eltern könnten sie nicht schützen. Ein Anwalt soll klagen – denn mit einer Arbeitserlaubnis bekäme der Vater sofort eine BSHG-Stelle und einen Nebenjob, um die Familie unabhängig von der Sozialhilfe zu ernähren. Dieser neue Sachverhalt belege, dass die Familie eigentlich schon länger hätte geduldet werden müssen. ede