: Unbeabsichtigte Räumung
■ Nach Sperrung eines besetzten Hauses in Potsdam wollen Stadtverordnete vermitteln
„Sanssouci geschändet“, titelte ein Boulevardblatt. Ein „ungeheuerlicher und widerlicher Frevel gegen das Weltkulturerbe“, empörte sich Potsdams Oberbürgermeister Matthias Platzeck (SPD). Am vergangen Samstag waren an der Fassade des Schlosses Sanssouci meterhohe Parolen aufgetaucht. „Villa her, sonst kracht's“, war auf die Wände gepinselt, und: „Dank Euch Touris sind wir ohne Bleibe“. Am Vortag hatte die Polizei die seit acht Jahren besetzte Guthmann-Villa in Potsdam geräumt.
Die CDU legte gleich nach. Thomas Lunacek, Generalsekretär der CDU-Brandenburg, forderte die „sofortige Räumung aller besetzten Häuser im Land“. Extremismus könne man nur „mit der Intoleranz aller staatlichen Instanzen“ begegnen, hieß es weiter aus der CDU-Wahlkampfzentrale.
Erst die zuständige staatliche Instanz, der Jugendhilfeausschuss der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, bemühte sich am Mittwochabend um eine sachliche Auseinandersetzung. Jahrelang war es ruhig gewesen um die Potsdamer Hausbesetzer. Durch Verhandlungen, Umsiedlungen, aber auch durch Räumungen war die Zahl der besetzten Häuser von über 20 auf 6 reduziert worden.
Der Einsatzleiter der Polizei, Gellenbeck, berichtete vor dem Ausschuss von zahlreichen Beschädigungen an hochwertigen Kraftfahrzeugen in den letzten Wochen. In der Nacht zu Freitag habe ein Porsche-Besitzer zwei Personen beim Zerstechen der Reifen ertappt und sie anschließend bis zur Guthmann-Villa verfolgt. Aus dem Haus sei dann ein Feuerlöscher auf seinen Wagen geworfen worden. „Freitag haben wir das Haus durchsucht und die fünf Anwesenden als Tatverdächtige vorläufig festgenommen“, so Gellenbeck. Einer sei als Reifenstecher wieder erkannt worden.
Die Guthmann-Villa steht unter Denkmalschutz. Hier gibt es das „Arabicum“, eine im türkischen Rokoko gehaltene Holzverzierung, sowie die einzige in expressionistischem Stil gebaute Turnhalle. Nach einem Rundgang hielt der Polizeieinsatzleiter das Baudenkmal für gefährdet. Die „Verantwortlichen der Stadt“ hätten schließlich entschieden, dass den Besetzern kein Zugang mehr erlaubt würde. „Eine Räumung haben wir nicht beabsichtigt“, erklärte Gellenbeck, „wir haben nur niemand wieder reingelassen“.
Johanna Neupert, stellvertretende Leiterin des Denkmal-Amtes, bestätige zwar den „akuten Handlungsbedarf“, betonte jedoch, dass die Schäden nicht durch die Besetzer entstanden seien: „Schon 1981 ist die Villa durch hohe Luftfeuchtigkeit beschädigt gewesen.“ Die Besetzer hätten daher in Absprache mit ihr das Dach über dem Arabicum abgedichtet.
Die Besetzer bezeichneten die Räumung als einen „Akt der Sabotage“. Seit Wochen sei man darüber informiert, dass es einen Kaufinteressenten für die Villa gebe. Schon um ihre Position in den „langfristigen Verhandlungen“ nicht zu gefährden, hätten sie gar kein Interesse daran, Straftaten zu begehen. Auch für die Grafitti am Schloss seien sie nicht verantwortlich, sagten die Besetzer.
Das plötzliche Auftauchen eines Investors nach der Räumung überraschte denn auch die Ausschussmitglieder. Hannelore Knoblich (SPD) erinnerte an einen Beschluss der Stadtverordneten von 1994 zum Umgang mit Besetzern. Danach soll sich die Stadtverwaltung um eine friedliche Lösung von Konflikten zwischen Eigentümern und Besetzern sowie um Ausweichquartiere bemühen. Dafür müssten die Verordneten aber vorab informiert werden, kritisierte Knoblich.
Die Guthmann-Villa war etwa zeitgleich mit der Besetzung an die Erben des jüdischen Eigentümers rückübertragen worden. Die Familie, die heute in Mexiko, USA und England lebt, könne die teure Instandsetzung aber nicht bezahlen, klagte ein Sprecher vor dem Ausschuss. Man sei daher froh über die Räumung, weil das Haus nun wieder „frei genutzt und verwertet“ werden könne. Der holländische Berater Hans Bakker will sich weltweit um Fördergelder kümmern und hat nach eigenen Angaben auch einen potentiellen Käufer für die Villa an der Hand.
Doch dem Jugendhilfeausschuss geht das alles zu schnell. Er forderte Bürgermeister Platzeck fast einstimmig auf, die Sicherungsverfügung – also die Sperrung – für die Guthmann-Villa zu überprüfen und Gespräche zwischen Eigentümern und Besetzern einzuleiten. Ein positives Ergebnis für die Ex-Besetzer ist aber unwahrscheinlich. Sie fordern als „Verhandlungsgrundlage“ ihre Rückkehr in die Villa. Der Vertreter der Eigentümer will aber nicht mal eine Zwischennutzung bis zum eigentlichen Baubeginn akzeptieren. Gereon Asmuth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen