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Neue Höfe in der neuen Mitte

Wohnen, handeln und produzieren: Das Konzept, das sich aus der Tradition der gründerzeitlichen Gewerbehöfe entwickelt hat, ist aber noch kein Garant für den Erfolg  ■   Von Uwe Rada

Fast ängstlich presst sich der Neubau in der Sophienstraße zwischen die benachbarten Häuser. Entsprechend klein sind die Luxuswohnungen, die größte hat 60 Quadratmeter. Doch der Blick von den Balkonen soll entschädigen: „Genießen Sie das Flair der Hackeschen Höfe“, wirbt der Investor und preist die „Mischung aus Kultur, Szenetreff und Gastlichkeit“.

In den zehn Jahren nach dem Fall der Mauer haben die Berliner mit dem Bezirk Mitte ein neues Zentrum – und mit den Hackeschen Höfen gar die Mitte der Mitte. Mit den Höfen ist ein Bautypus wieder auferstanden, der wie geschaffen scheint, die urbanen Brachen der Friedrichstraße und des Potsdamer Platzes auszugleichen.

In der Spandauer Vorstadt, der heimlichen Altstadt zwischen Alexanderplatz und Friedrichstraße, kann man komplette Hoftouren unternehmen, angefangen von den Kurt-Berndt-Höfen in der Neuen Schönhauser Straße über die Hackeschen Höfe bis zu den Sophie-Gips-Höfen und den Heckmann-Höfen, die die Galerienmeile Auguststraße mit der Oranienburger Straße verbinden. Manche, wie etwa der Zeit-Redakteur Klaus Hartung, sprechen im Überschwang sogar von der „Magie der Höfe“. Ihre Anziehungskraft fällt freilich unterschiedlich aus.

In den Heckmann-Höfen mit ihren zu Designerläden umgebauten Remisen ist es erstaunlich ruhig. „Italienisch“ nennt der Inhaber eines Coiffeur-Geschäfts das Flair der Heckmann-Höfe. Dass es bei soviel mediterraner Beschaulichkeit auch wenig Laufkundschaft gibt, stört ihn nicht. „Unsere Kundschaft kommt zu 90 Prozent aus Charlottenburg“, sagt er, „einen Haarschnitt für 70 Mark kann sich hier kaum einer leisten.“

Das gilt auch für den Hutladen, die Boutiquen und zahlreichen anderen Designergeschäfte. Es scheint, als wäre flanierendes Publikum gar nicht erwünscht. „Wir haben dafür gesorgt, dass es hier kaum noch Stadtführungen gibt“, freut sich der Coiffeur und weiß sich sowohl mit den Gewerbetreibenden als auch den Geschäftsinhabern einer Meinung.

Im „Berconis“ einige hundert Meter weiter herrscht dagegen Trubel. Der Inhaber hat noch mehr Tische und Stühle in den Hof gestellt, die Sophie-Gips-Höfe haben dadurch einen Anziehungspunkt. Exklusiv sind die Höfe dennoch geblieben. Eigentümer ist das Ehepaar Hoffmann, Kunstsammler aus Köln, die sich mit den Höfen auch ein eigenes Heim in der Hauptstadt geschaffen haben – ein Luxusheim, versteht sich, auf 180 Quadratmetern samt Swimmingpool im Dachgeschoss.

Was die Sophie-Gips-Höfe von den Hackeschen Höfen unterscheidet ist ihr privater Charakter – ab 22 Uhr werden sie geschlossen. Was sie verbindet, ist die Tatsache, dass hier nicht nur verkauft, sondern auch gearbeitet wird. Schließlich sind die Höfe in Mitte aus der Tradition der gründerzeitlichen Gewerbehöfe entstanden. Und in denen wurde nicht nur gewohnt und gehandelt, sondern auch produziert.

Sollen die neuen Orte des urbanen Begehrens beim Publikum Gefallen finden, darf die ursprüngliche Nutzung die neue freilich nicht überlagern. In den Kurt-Berndt-Höfen etwa sorgt das Goethe-Institut als Hauptmieter dafür, dass sich in diesem Gewerbehof das langweilige Ambiente der Friedrichstraße wiederfindet. Und an der Rosenthaler Straße zeigt die Investitionsruine des Rosenthaler Hofs, dass man sich mit Höfen auch gründlich verspekulieren kann. Die Bezeichnung „Höfe“ allein ist eben kein Garant für den Erfolg, obwohl derzeit in Berlin nichts so sehr kopiert wird wie das Konzept der Hackeschen Höfe.

Und nichts so sehr verfälscht. Gegenüber von den Hackeschen Höfen sind die Neuen Hackeschen Höfe entstanden. Was diesem – dem gründerzeitlichen Stadtbild nachempfundenen – Neubauzirkus unter Mitarbeit von Aldo Rossi fehlt, ist der Hofcharakter. Beide Innenhöfe sind nämlich Wohnhöfe und für das Publikum nicht zugänglich.

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