: Kalte Kacheln im Knast sollen weg
■ Sozialsenatorin und Gesundheitsamt fordern in internen Schreiben Nachbesserungen für den neugebauten Abschiebeknast / Innenbehörde dazu zur taz: „Im Moment machen wir gar nichts“
Innensenator Bernt Schulte (CDU) soll Handeln. Der neue Abschiebeknast, der für 70 Millionen Mark am Polizeipräsidium Vahr errichtet wurde, müsse schnellstens umgebaut und so verbessert werden. Diese Forderung erhebt jetzt das Bremer Gesundheitsamt nach einer Begehung der neugebauten Anlage in einem internen Schriftwechsel mit dem Innenressort. Damit nicht genug. Auch Sozialsenatorin Hilde Adolf hat sich eingeschaltet. In einem internen Schreiben, das der taz ebenfalls vorliegt, prognostiziert sie, dass „die Beibehaltung der derzeitigen Bauausführung zu einem langandauernden Konflikt mit Initiativen, Anwälten und Medien führen wird.“ Sie wäre Innensenator Bernt Schulte – „auch weil mein Haus in Konfliktfällen immer wieder angesprochen wird“ – „verbunden, wenn Sie in den noch verbleibenden Wochen Ihren Einfluss zur Abänderung“ der mangelhaften Planung der Abschiebehaft geltend machte.
In ihrer Kritik stimmen Sozial- und Gesundheitsbehörde offenbar weitgehend überein. Sie deckt sich zudem mit öffentlich geäußerten Vorwürfen der Bremer Grünen sowie der Flüchtlingsinitiative „Grenzenlos“, die die taz nach einer Ortsbegehung öffentlich gemacht hatte. Auch im Justizressort hatte man nach Bekanntwerden der polizeilichen Planungen ungläubig darauf reagiert, dass die Zellen – entgegen allen Richtlinien etwa zum Bau von Justizvollzugsanstalten – sogar ohne Fenster, dafür mit Glasbausteinen und vollklimatisiert, bis unter die Decke verkachelt, gebaut wurden.
Diese Missstände noch vor der im Herbst geplanten Belegung der Zellen zu beseitigen, empfiehlt die Bremer Gesundheitsbehörde jetzt im Anschluss an eine Begehung der Hafträume durch BehördenvertreterInnen Ende Juli. An der Planung selbst waren MitarbeiterInnen der Behörde nie beteiligt – obwohl die Abschiebehaft von der Öffentlichen Hand betrieben wird. Der Forderungskatalog der Gesundheitsbehörde für Verbesserungen betrifft unterdessen nicht nur die räumliche Gestaltung der Zellenbereiche – sondern auch die Frage der Betreuung der Inhaftierten. „Dass im Abschiebegewahrsam keine Präsenz von Aufsichtspersonal vorgesehen ist (...) sollte im Hinblick auf potentielle Risikosituationen, die bei Feuergefahr oder Eigen- und Fremdgefährdung der Insassen entstehen können, überdacht werden“, mahnt sie. Die Gegensprechanlage, die zwischen den Wachhabenden im Erdgeschoss und den Abschiebehäftlingen im ersten Stock eingebaut sei, könne dies ebensowenig wie eine Videoüberwachung leisten. Auch die Sozialsenatorin weist auf die Bedeutung einer „aggressionsfreien Atmosphäre“ hin – und mahnt an, dass die Ausgestaltung der Zellen nach Maßgabe eines Polizeigewahrsams „in einigen Punkten nicht den Anforderungen an eine adäquate Unterbringung über einen längeren Zeitraum“ entspreche.
Die Innenbehörde hatte dagegen auch nach erster öffentlicher Kritik darauf beharrt, man werde weder Fenster noch Kacheln in dem nach nordrhein-westfälischen Richtlinien gebauten Polizeigewahrsam ändern. Allenfalls – die durch die Gesundheitsbehörde ebenfalls monierten – Schamwände um die Toiletten in den Zellen würden eingebaut. Auf Anfrage sagte der Innenressort-Sprecher auch jetzt: „Im Moment machen wir gar nichts.“ Fachleute im Ressort sprechen aber hinter vorgehaltener Hand davon, dass Umbauten unumgänglich seien. Auch räumen sie ein, dass die Planungen „nach dem Motto wisch und weg“ in der unteren Polizeiebene angesiedelt waren. ede
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