piwik no script img

Die SPD modernisiert und dementiert zugleich

■ Heute neu: Spekulationen um die Ablösung von Fraktionschef Peter Struck

Berlin (dpa) – Am Wochenende wurden erstmals Forderungen nach einem Rücktritt von SPD-Fraktionschef Peter Struck laut, dessen Steuervorschläge am Samstag und Sonntag weiter für heftigen innenparteilichen Wirbel sorgten. Als Nachfolger wurde Bundesverkehrsminister Franz Müntefering ins Spiel gebracht. Der bezeichnete solche Spekulationen als „unsinnig“ und verlangte ein sofortiges Ende der Debatten über die Steuer- und Reformpolitik. Der Staatsminister im Kanzleramt, Hans Martin Bury (SPD), sagte: „Wenn wir jetzt wackeln, dann haben wir verloren.“

Bundesgeschäftsführer Schreiner rief seine Partei am Samstag bei einem Landesparteitag in Saarbrücken dazu auf, die Programm- und Richtungsdiskussion weiterzuführen. Die SPD-Mitglieder hätten es jedoch nicht verdient, „wenn Einzelne in unserer Partei, und ich meine in der Parteiführung, geradezu ausschließlich aus persönlicher Eitelkeit, aus persönlichen Profilierungsbemühungen das mit einreißen, was unten mühsam gebaut und aufgebaut wird. Das geht so nicht.“

Der saarländische Ministerpräsident Reinhard Klimmt machte erneut die Modernisierungsdebatte in der SPD für die schlechten Umfrageergebnisse der Partei verantwortlich und warnte vor einem Richtungswechsel. „Wenn Modernisierung gleichzusetzen ist mit dem Verzicht auf soziale Gerechtigkeit, kann ich jeden in unserer Partei nur warnen, diesen Weg zu gehen“, sagte Klimmt dem Nachrichtenmagazin Focus. Mit dem Weggang von Oskar Lafontaine fehle den Linken jetzt der entsprechende Kopf, beklagte Klimmt in der Leipziger Volkszeitung.

Schützenhilfe bekam die Sparpolitik der Bundesregierung von Seiten der Wirtschaft. Der Präsident des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel, appellierte an die Unternehmen, auf die Reformkräfte in der Bundesregierung zu setzen.

Münterfering versicherte in mehreren Interviews: „Struck ist Fraktionsvorsitzender. Er hat das Vertrauen der Fraktion. Mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen.“ Dagegen sagte der Chef der Jungsozialisten, Benjamin Mikfeld, ein Fraktionschef dürfe die Steuerpolitik nicht zerstören. „Die Kritik an Struck in der Fraktion ist inhaltlich und taktisch nachvollziehbar“, betonte er in der Welt am Sonntag.

Struck hatte sich für eine radikale Vereinfachung des Steuersystems ausgesprochen und dabei ein Dreistufenmodell mit Steuersätzen von 15, 25 und 35 Prozent vorgeschlagen. Parteiinterne Kritiker hatten ihm daraufhin vorgeworfen, er zerrede damit das Sparpaket der Bundesregierung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen