: „Eine große Koalition der Modernisierer“
■ CDU-Vize Volker Rühe fordert Zusammenarbeit mit der SPD bei der Steuer- und Rentenrefom – gegen die sozialdemokratischen Traditionalisten
taz: SPD und FDP sprechen zusammen über die Rente. Auch die Grünen sind mit von der Partie: Wo bleibt die CDU?
Rühe: Die CDU hat deutlich gemacht, dass sie gesprächsbereit ist – wenn es um eine wirkliche Rentenreform gehen soll. Im Augenblick hat die Regierung nur einen willkürlichen Eingriff in die Rente zu bieten. Das ist keine Basis für Gespräche.
Wozu dieser Trotz? Gebraucht wird so etwas doch ohnehin.
Es geht nicht um Trotz, sondern darum, dass Rot-Grün unsere langfristige Rentenreform rückgängig gemacht hat – um jetzt massiv an der Rente zu manipulieren.
Welchen Sinn macht es, dass sich die Volksparteien gegenseitig des Rentenraubs bezichtigen?
Es macht keinen Sinn. Aber bisher gibt es nur eine Partei, die eine echte Rentenreform durchgesetzt hat. Und das ist die CDU. Eine zukunftssichernde Rentenreform ist nur möglich, wenn auch die großen Parteien zusammenarbeiten. Wir grenzen uns damit von den Traditionalisten ab, die so tun, als ob es beim Status quo bleiben könnte. Wir sind die Partei der Reform und der Modernisierung Deutschlands.
In der Steuerpolitik hat SPD-Fraktionschef Struck einen Drei-Stufen-Vorschlag gemacht – und dafür Prügel bezogen. War die Idee von den drei Steuersätzen so substanzlos?
Nein, das Struck-Modell bewegt sich in dem Bereich, den wir in unseren Petersberger Beschlüssen umrissen haben. In der SPD tobt der Kampf zwischen den Traditionalisten und den Modernisierern. Es besteht die große Gefahr, dass die Modernisierer wieder zurückgedrängt werden. Deshalb können wir nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, wenn Struck in die Ecke geschoben wird. Er wird in einer Weise angegriffen, wie man sich das gegenüber einem Fraktionsvorsitzenden kaum vorstellen kann. Die Renten- und die Steuerreform dürfen aber nicht verschoben werden. Es wäre insgesamt für Deutschland ein schwerer Schaden, wenn sich die Traditionalisten in der SPD durchsetzen würden.
In der Union war der Steuerexperte Gunnar Uldall mit einem ähnlich radikalen Vorschlag genauso isoliert wie Struck.
Für uns ist eine große Steuerreform wichtig, die von den Eingangssteuersätzen durchgehend bis hin zu den höchsten Steuersätzen wirklich zu deutlichen Abschlägen kommt und Ausnahmen beseitigt. Diese drei Schritte gehören zusammen. Ob man sie pur verwirklichen kann, das ist eine offene Frage. Aber wenn die Lösung irgendwo zwischen Struck, Uldall und Petersberg liegt, dann wird das eine umfassende Steuerreform – und die wollen wir. Im Augenblick besteht aber die Gefahr, dass in den nächsten drei Jahren nichts passiert.
Unter SPD-Wählern rangiert – laut einer Umfrage – die „Reform von Staat und Gesellschaft“ auf Platz sieben der Prioritätenliste. Hat die SPD genug gesellschaftlichen Rückhalt, um große Reformprojekte umzusetzen?
Das Schröder-Blair-Papier ist eigentlich nur ein Modernisierungsputsch von oben. Die Partei hat ihre Kräfte in Richtung Modernisierung noch gar nicht richtig mobilisiert. Dazu braucht man eine wirkliche Diskussion – auch mit uns. Sonst besteht die Gefahr, dass man die Modernisierer wieder in die Besenkammer stellt. Nach meiner Überzeugung spürt die Mehrheit in der Gesellschaft, dass es so nicht weitergehen kann: Wir müssen das Land modernisieren. Bei Rente und Steuer brauchen wir dazu eine große Koalition der Vernunft, der Modernisierer quer durch die Parteien.
Manche ihrer Kollegen fordern strategische Bündnisse mit den Gewerkschaften. Kann die große Koalition so weit gehen?
Es gibt auch in den Gewerkschaften eindrucksvolle Modernisierer, aber doch viele, die am Status quo hängen. Das ist nicht unsere Politik. Und deshalb darf unsere Freude, dass der DGB jetzt endlich auch einmal ein deutliches Wort in Richtung SPD sagt, nicht dazu führen, uns in falsche Abhängigkeiten zu begeben.
Interview: Christian Füller
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