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Frankreich greift ein

Weil sich die großen Banken über angestrebte Fusionen nicht einigen können, entscheidet die Regierung selbst  ■   Aus Paris Dorothea Hahn

Hat da nicht wer gesagt: Die Märkte regeln alles besser? Und haben nicht dieselben Globalisierungsapologeten gepredigt: Wenn der Staat sein Kapital zurückzieht, finden sich die richtigen industriellen Lösungen von ganz allein?

Ein paar Jahre nach der Privatisierung der französischen Großbanken „BNP“ und „Société Générale“ (SG) befinden sich die beiden gegenwärtig in dem größten Chaos ihrer Geschichte. Nachdem die Befragung ihrer Aktionäre zu ihren verschiedenen Fusionsvorhaben mit der Investmentbank „Paribas“ kein klares Ergebnis gebracht hat, muss jetzt der französische Staat einen Ausweg aus der Sackgasse suchen. Mit in der Sackgasse stecken die Arbeitsplätze von 130.000 Menschen in den drei beteiligten Unternehmen und die Zukunft des französischen Banksektors, aber auch die Glaubwürdigkeit der rot-rosa-grünen Regierung in Paris.

Die französische Bankenaufsicht (CECEI), unter Vorsitz des Chefs der Notenbank, Jean-Claude Trichet, und unter direkter Überwachung durch den Premier- und den Finanzminister, die ursprünglich bereits gestern abend entscheiden wollte, hat sich für die schwere Aufgabe eine weitere Woche ausbedungen. Erst am 24. August will sie bekannt geben, wie die künftige französische Bankenlandschaft aussieht.

Wie berichtet, hatten sich die beiden Banken in den vergangenen fünf Monaten wegen zwei alternativer Fusionsprojekte stärker und öffentlicher bekriegt, als das in der Geschichte des französischen Kapitalismus je vorgekommen ist. Die SG und die Paribas strebten eine einvernehmliche Zweierfusion an. Die BNP wollte beide schlucken und als Ergebnis die größte Bank der Eurozone mit dem Arbeitstitel SBP gründen.

Die jeweiligen Aktionäre mussten über die Pläne abstimmen. Ihr Votum war jedoch weder klar, noch lag es im Sinne der beteiligten Bankdirektoren. Das am Wochenende ermittelte Ergebnis weist nicht in die Richtung des angestrebten Zweiers und auch nicht in die der großen Dreierfusion. Stattdessen legt es die – von niemandem angestrebte – Übernahme der Paribas durch die BNP nahe, und lässt die SG – vorerst zumindest – auf freiem Fuß.

Die BNP, die beide Konkurrentinnen schlucken wollte, erzielte mit ihrer massiven Kampagne zwar 65,2 Prozent der Stimmrechte an der Paribas, aber nur 31,2 Prozent der Stimmrechte an der SG.

Kaum war das Ergebnis bekannt, erklärte BNP-Direktor Michel Pébereau seinen „Sieg“. Die von den Aktionären gewollte Minderheitsbeteiligung der BNP an der SG, so behauptete Pébereau, reiche aus, um die ganz große Bankenfusion zu realisieren. Doch sein Konkurrent, der Direktor der SG, Daniel Bouton, reagierte ebenso schnell und ebenso kategorisch. Er gestand zwar ein, dass das von ihm gewollte Fusionsprojekt mit der Paribas gescheitert sei. Doch besteht er weiterhin energisch auf der Unabhängigkeit der SG von ihrer traditionellen Konkurrentin BNP. „Die Société Générale“, so Bouton, „ist nicht zu verkaufen.“

Die beiden Bankdirektoren Pébereau und Bouton, die sich jetzt öffentlich bekämpfen, haben tatsächlich viel mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes. Sie besuchten dieselbe Eliteschule für die französische Spitzenverwaltung (ENA), bekämpfen beide die Sparkassen und Genossenschaftseinrichtungen und sind außerdem seit langem Duzfreunde. Der Charakter ihres momentanen Machtkampfes, der jenseits des Bankenpersonals und der Bankenaktionäre die gesamte französische Öffentlichkeit beunruhigt, ist von zahlreichen persönlichen Eitelkeiten bestimmt.

Die Bankenaufsicht CECEI, die eigentlich nur entscheiden muss, ob sie die Minderheitsbeteiligung der BNP an der SG zulässt, hat nun die undankbare Rolle, die künftige Bankenlandschaft Frankreichs mitzubestimmen.

Über dieser neuen Entscheidungsrunde (es ist der dritte Versuch der CECEI, in der Fusionsfrage zu vermitteln) hängt das Damoklesschwert eines „chevalier blanc“ – eines bislang ungenannten ausländischen Investors, der in die nunmehr einsame SG einsteigen könnte, wenn die große Dreierlösung innerhalb Frankreichs nicht zustande kommen sollte.

An Interessenten an der SG fehlt es nicht. Das hat sich bereits in dem Krieg der vergangenen Wochen gezeigt, als sowohl britische, spanische und italienische Versicherungen und Banken massiv ihr Kapital zugunsten der SG bewegten.

Zugleich ist in Paris ein offenes Geheimnis, dass die französische Regierung die Banken unter nationaler Kontrolle halten will. Wie sie das angesichts der privatisierten Bankenlandschaft handhaben will, auf deren Kapitalseite längst ausländische Pensionsfonds eine entscheidene Rolle spielen, ist ein Rätsel. Während die CECEI verhandelt, suchen BNP und SG weiterhin nach neuen Verbündeten in der Aktionärslandschaft. Am Ende der Schlachten könnten doch wieder die Rentenfonds der „schottischen Witwen“ und „amerikanischen Rentner“, von denen Staatspräsident Jacques Chirac am letzten Nationalfeiertag sprach, den Ausschlag bei der Kapitalentscheidung über die künftige französische Bankenlandschaft geben.

Über allem hängt das Damoklesschwert eines ausländischen Investors – wenn die große Lösung fehlschlägt

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