Die drei Musketiere

■ Bei Ludwigslust II, einem viertägigen Festival der Klangavant-garde mit Ted Milton und David Moss, überwiegen die Trios

Man darf sich wieder krümmen. Ludwigslust, das verlängerte Wochenende der brotlosen Avantgarde, geht in die zweite Runde und lässt sich als Gegenpol zur Popkomm lesen. Was in Köln Marketing heißt, buchstabiert sich im Keller der Ludwigstraße 13 als Idealismus, durchdrungen vielleicht von ein wenig elitären Sektierertum. Auf jeden Fall aber weitermachen, gegen das Schlechte/Grobe/Vorauseilende, für das Gute/Feine/Individuelle.

Die hauptsächlich lebendige, manchmal halsstarrige Suche nach Wegen neben der und gegen die Popmoderne konkretisiert sich – jenseits der allgemeinen Verweigerung von Melodie und Rhythmus als struktureller, beengender Klammer – hauptsächlich als Trio. Das fängt mit den Veranstaltern an: eine Frau und zwei Männer, die sich mit drei Projekten über die vier Tage verteilen. Die Klänge, die Dodo Schienlein durch kreatives Schaben ihrer verstimmten Zither gewinnt, ließen sich auch als Installation in der Handwerkskammer vorstellen. Christian Ribas begegnen wir als Bestandteil von Chanson Electronique, wo die gängige Formel aus Beats, Loops und Gesang um ein paar Störgeräusche erweitert wird. Dies ist auch schon das Maximum an Pop-Zugeständnissen, die Kompositionen des dritten Organisators Klemens Kaatz weisen eindeutig in den Bereich der modernen Klassik: strenge, tonreiche Musik für zwei Gitarren und Bass, die in eine Besetzung aus Cello, elektrische Installation und Mischpult übergeht.

Ein weiteres Trio eröffnet den viertätigen Reigen. Dannullis/Griener/Roder improvisieren im freien Fall und trotz klassischer Besetzung jenseits aller Jazz- oder gar Rock-Konventionen. Dieser erste Abend wird komplettiert durch den irrsinnigen Noise des Moldaviers Leonid Soybelman, der allein und mit elektrischer Gitarre eine ebenso kleinteilig-klirrende wie körperlich-schmerzvolle Apokalypse erschafft.

Ganz anderer Art sind die Anstrengungen, die uns am nächsten Tag Blurt zumutet. Das ewige Projekt des rastlosen Ted Milton, der mit seinen knapp fünzig Jahren auch das uneingestandene Rolemodel der Veranstaltung sein könnte, ist auch nach zwanzig Jahren kaum weniger sperrig als zu Post-Punk-Zeiten. Beat-Poetry, Free-Jazz und No Wave in unterschiedlicher Gewichtung, natürlich als Trio. Noch mehr Stimme kommt von Janice Jackson, die den Freitagabend mit artifiziellem Sopran beginnt, enden wird er in der würmseligen Kleinkunst, die Saxophon, Kontrabass und Perkussion unter dem Namen Yarbles erschaffen; Musik wie Insektentanz, getupft, gedrückt und vollkommen ohne Flächen.

David Moss, mit über 60 Veröffentlichungen das andere Schwergewicht des Festivals, wird von den Veranstaltern als Fluxuskünstler beschrieben und folgt der Idee mit babylonischem Stimmwirrwarr. Wer mit dem guten Gewissen des richtigen Kontexts nur einfache Bedürfnisbefriedigungsucht, sollte nach seiner Performance erscheinen, dann dürften sich alle vorhergehenden Irritationen in Stefan Mertins gepflegten Übergängen zwischen Breakbeat und House verflüchtigen. Dieser inkonsequenteste Programmpunkt der ansonsten durchgehend spannenden Veranstaltung lässt nur eine Interpretation zu: Es gibt Arbeit und es gibt Feierabend.

Dannullis/Griener/Roder + Leonid Soybelman:
Mi, 25. Klemens Kaatz + Blurt:
Do, 26. Janice Jackson/Oliver Frei + Dodo Schielein + Yarbles:
Fr, 27. David Moss + Chanson Électronique + Stefan Mertin: Sa, 28. August, jeweils 20.30 Uhr, Ludwigsstraße13