piwik no script img

„Mir verkaufe Sauberkeit“

■ In Die Blume der Hausfrau, einer filmischen Studie über Staubsaugerverkäufer im Schwabenland, gehen Ethnologie und Ökonomie eine amüsante Verbindung ein

„Ist Ihnen der Name Vorwerk ein Begriff?“ Diesem Satz, mit dem die Handlungsreisenden in Sachen Staubsauger ihren Fuß in die Tür zu bekommen suchen, folgt – läuft alles günstig – eine der sensationellen Vorführungen. Wenn Starverkäufer Steffen Bidule sein Handwerkszeug den Erfordernissen des Wohnzimmer-Parcours anpasst, erinnern nicht nur die klackenden Sounds des Saugers an das Präparieren von Schusswaffen im Actionfilm, Grazie und Behändigkeit des Vertreters lässt sogar so manchen Martial-Arts-Kämpfer in Vergessenheit geraten.

Dass die B-Note in Vorführästhetik dem Verkaufen nicht abträglich ist, haben wir gelernt. Wichtiger noch ist der Quotient aus Anzahl der Füße in der Tür und Arbeitszeit. Denn: „Der, wo oft vorführt, der tut öfter verkaufe. Der, wo öfters verkaufe tut, verdient mehr Geld. Der, wo mehr Geld hat, isch meischtens auch zufriedener.“ Der Schulungsleiter der Vorwerk-Hausierer erklärt Kapitalismus auf solch entwaffnend simple Art, dass man aus dem Staunen kaum herauskommt. Der Mann mit dem Wahlsprüchle „Der Jesus hats au net gschafft, der Jesus war da, aber der hat au ni alle Mensche überzeuge könne“, hat zudem noch makroökonomische Analysen in petto: „Der Verkäufer isch eigentlich s'Motor von der Wirtschaft.“

Im Land der heruntergelassenen Rollläden, wo die „Kleine Kehrwoche“ den Takt angibt, hat das Vorwerk denn auch profitable Gültigkeit: Der Bezirk Stuttgart liegt auf Rang zwei der Verkäufe. Und eben da, wo auch die Gehsteige gesaugt scheinen, begleiten wir fünf Vertreter auf ihren Touren. Vier der Handlungsreisenden haben Vorfahren jenseits der Alpen – was die Vermutung nährt, italoschwäbischer Charme prädestiniere zum Staubsauger-an-die-Hausfrau-Bringen.

Erklärungen bleiben aus, hat Regisseur Dominik Wessely, Absolvent der Filmakademie Ludwigsburg, doch Off-Kommentare konsequent vermieden. Das unterstreicht den Eindruck, man kiebitze gleichsam über die Schulter der Vertreter. Als sei das Filmteam in der Wohnungseinrichtungaufgegangen, derart ungetrübt von inszenierter Pose erscheint das Verhältnis von Verkäufern und Kunden. Allerdings bereitet der Verzicht auf Untertitel denjenigen, die ihr Gehör den Gepflogenheiten der norddeutschen Tiefebene angepasst haben, passagere Verstehensprobleme. Dennoch sind Berührungsängste unangebracht, gibt es doch kaum ein beredteres Zeugnis schwäbischer Mentalität. Und die ortsansässige Exilgemeine der „Vierteles-Schlotzer“ wird eh ihren Spaß haben, wenn die schwäbische Hausfrau mit vertraut mundartlichen Lauten und spitzer Zunge den Vertreter vorführt.

Tim Gallwitz

ab heute, 3001 und Zeise

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen