: Lupe auf „Pallas“
■ Seeamt sucht nach sachlicher Klärung der Schiffs-Katastrophe vor der Nordseeküste
Cuxhaven. Von der Hektik während der Tage des „Pallas“-Unglücks ist vor dem Seeamt Kiel, das in Cuxhaven derzeit über die Havarie des Holzfrachters vor der Nordseeküste verhandelt, nicht viel zu spüren. Der Vorsitzende Jochen Hinz ist um sachliche Aufklärung jener Katastrophe bemüht, die sich im Herbst 1998 in der Deutschen Bucht abspielte und die das Thema „Sicherheit auf See“ in die Schlagzeilen brachte. Trotzdem wird in den stundenlangen Erörterungen immer wieder deutlich, dass bei vielen der damals Beteiligten noch heute die Nerven blank liegen.
Denn zur Diskussion steht das gesamte Sicherheitssystem für eines der meistbefahrenen Schifffahrtsreviere der Welt. „Schiffsunfälle auf hoher See sind selten geworden“, stellt Fregattenkapitän Christian Dienst, Chef der deutschen Marine-Rettungsflieger, während der Verhandlung fest. „Wenn es aber kracht, dann ist wirklich etwas Schlimmes los.“
Wie bei der Pallas. Und weil das Ergebnis dann doch ölverschmutzte Strände, über 10.000 getötete Seevögel und eine aufgebrachte Öffentlichkeit waren, wird die Beweisaufnahme über Ursache und Wirkung in der Rückschau für Hinz zum Balanceakt. Jeder der Beteiligten hat seinerzeit das aus seiner subjektiven Sicht Beste getan. Dass dies objektiv nicht ausreichte, macht die Wahrheitsfindung schwer. Wer will schon zugeben, seiner Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein.
Was als Frage-und-Antwort-Spiel gedacht ist, gerät schnell zum „Schwarze-Peter-Schieben“. Ein Beispiel: Dass der Grenzschutzbeamte im Cuxhavener Küstenwachzentrum eine wichtige Nachricht nicht an den Vertreter des Zentralen Meldekopfes der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung im selben Gebäude weitergab, wird im Laufe der Verhandlung von Verfahrensbeteiligten als Fehler an die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) weitergereicht. Doch: Die Seenotretter sind nur zuständig, wenn Menschenleben gefährdet sind.
Wer aber ist bei Unfällen auf See für was zuständig, für die Bergung treibender Wracks zum Beispiel? Schon der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Kieler Landtages hatte ein Wirrwarr von Kompetenzen verbunden mit Kommunikationsproblemen aufgezeigt. Darum will das Seeamt nun der politischen die sachliche Ursachenforschung folgen lassen. Im internationalen Seerecht sind dem Bemühen aber Grenzen gesetzt. So ist mancher Beteiligter trotz Ladung nicht zur Verhandlung erschienen. Obwohl die nächste „Pallas“ vielleicht schon wartet.
Wolfgang Heumer, dpa
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