: Todesurteil in den USA ausgesetzt
Gericht in Texas ordnet psychiatrische Untersuchung des Verurteilten an. Unzureichende Betreuung von Geisteskranken in den Vereinigten Staaten ■ Aus Washington Peter Tautfest
Im Bundesstaat Texas hat ein Berufungsgericht in letzter Minute die Hinrichtung eines geisteskranken Mannes verhindert. Am Dienstag sollte der 42jährige Larry Robinson für fünf Morde sterben, die er 1982 begangen hatte. Unter seinen Opfern war ein 11-jähriger Junge gewesen sowie Robinsons Geliebter Rikkey Lee Bryant, den er grausam verstümmelt haben soll.
Der Grund für die Aufschiebung: Nach einem 1985 ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgerichts dürfen Geisteskranke nur dann hingerichtet werden, wenn sie ihre Strafe verstehen und auch verstehen, wofür sie bestraft werden. So muss eine niedrigere gerichtliche Instanz jetzt den Geisteszustand des Todeskandidaten prüfen.
Seit 1974 sind in Texas 185 Menschen zum Tode verurteilt worden; Robinson wäre der 21. in diesem Jahr gewesen und der 99. Häftling, der seit Amtsantritt des Gouverneurs George W. Bush im Jahre 1995 durch eine Giftspritze gestorben wäre. Erst vorgestern Abend hat eine weitere Hinrichtung stattgefunden.
Trotz aller Routine hatte dieser Fall aus zwei Gründen die nationale und internationale Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Zum einen, weil er den Umgang der US-Staaten mit Geisteskranken beleuchtet. Denn Larry Robinson galt als schizophren. Seine Mutter hatte mehrfach vergeblich um seine Aufnahme in eine psychiatrische Klinik nachgesucht – Texas rangiert USA-weit bezüglich seiner Pro-Kopf-Ausgaben für psychiatrische Behandlung an 42. Stelle. Auch Buford Furrow, der letzte Woche in einem jüdischen Gemeindezentrum in Atlanta um sich schoss, war im Bundesstaat Washington aus einer psychiatrischen Klinik abgewiesen worden.
Der zweite Grund für das Aufsehen liegt in der Person des George Bush. Der Gouverneur von Texas war im Lande noch weitgehend ein Unbekannter, als er sich letztes Jahr weigerte, die zum Christentum bekehrte Mörderin Karla Fay Tucker zu begnadigen. Inzwischen aber ist er durch seine Bewerbung als Kandidat der Republikaner für die Präsidentschaft zum Medienstar geworden. Anfang August machte er sich in einem Interview mit der neuen Illustrierten Talk über das Gnadengesuch der Todeskandidatin lustig. Auch Bill Clinton hatte 1992 als Gouverneur von Arkansas kurz vor den Vorwahlen in New Hampshire einen gehirngeschädigten Polizistenmörder hinrichten lassen, um – wie Kritiker ihm damals vorwarfen – die Demokratische Partei von dem Ruch zu befreien, sie würde im Kampf gegen das Verbrechen nicht hart durchgreifen.
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