: „Die eigene Sprache trifft einen am direktesten“
■ Alfred Hilsberg, Chef des Plattenlabels What's So Funny About, über Deutsch als Popsprache
Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ist Alfred Hilsberg (51) Seele, Pate und graue Eminenz des Hamburger Undergrounds. 1999 beging er das 20-jährige Jubiläum seines Labels ZickZack, in den frühen 80ern wahrscheinlich das wichtigste der Neuen Deutschen Welle. Später gründete er What's So Funny About, das in den 90ern eine ähnliche Rolle spielen sollte.
taz: Sind Sie überrascht, dass sich Deutsch als Popsprache etablieren konnte?
Hilsberg: Nein. Die Neue Deutsche Welle hat sich kaputt gemacht durch eine Anhäufung unsäglich schlechter Texte. Dann gab es ein paar Jahre ein Vakuum, in dem sich keiner getraut hat, deutsche Texte zu machen. Als die Zitronen oder Cpt. Kirk & Ende der 80er wieder damit anfingen, waren wir alle davon überzeugt, dass auch das Erfolg haben würde. Uns ging es nicht darum, das als das neue Ding zu etablieren oder zu inszenieren, dass Deutsch gesungen wird. Es war einfach eine Selbstverständlichkeit, dass es gemacht wird, weil es intelligente Leute gab, die originell und fantasievoll genug waren, ihre und unsere Wirklichkeit mit eigenen Worten zu beschreiben.
Was sind die Gründe, dass es in den 90ern passiert ist? Ist es die Wiedervereinigung, wie gern behauptet wird?
Nein, nein. Es ist einfach selbstverständlich, sich in der eigenen Sprache auszudrücken, weil die nachvollziehbar ist, weil die einen am direktesten trifft. Dass Teile der Linken dann vor nationalistisch-chauvinistischen Trittbrettfahrern gewarnt haben, war zwar grundsätzlich richtig, traf aber die Falschen. Unsägliche Steigbügelhalter wie H.R. Kunze dürften sich inzwischen genug selbst disqualifiziert haben.
Wo sind die größten Unterschiede zwischen der Neuen Deutschen Welle und der heutigen Situation?
In erster Linie gibt es eine größere Professionalität bei den Bands. Die sind sich dessen bewusst, dass sie Erfolg haben können, wollen den auch und verhalten sich entsprechend. Das wäre mit den meisten Gruppen, mit denen ich es in den Achtzigern zu tun hatte, kaum denkbar gewesen. Die Bands wissen heute: Wenn man von der Musik leben will, darf man sich da keine Illusionen machen, sondern muss daran hart arbeiten. Und das tun sie.
Der Erfolg scheint nachhaltiger zu sein als früher.
In den Konzernzentralen hat man gemerkt, dass auch mit Einheimischem Geld zu verdienen ist. Dieses Marktsegment gilt es nun zu füllen. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich eine nachhaltige Entwicklung sein wird. Ich befürchte, dass durch Bands wie Liquido und Echt und die Flut an unsäglichen HipHop-Geschichten eine Ermüdung einsetzt. Vor allem die erfolgreichen Sachen rutschen vermehrt ins Schlagerhafte ab. Das ist eine Parallelentwicklung zu den 80ern. Das geht so lange, wie sie damit Erfolg haben. Wenn der ausbleibt, wird auch HipHop wieder fallen gelassen, dann gibt es eine neue Mode. Darüber hinaus ist für mich offen, ob Sprache, egal welche, jemals wieder über und mit Musik eine ähnliche Bedeutung wie gestern und heute haben wird. Interview: Thomas Winkler
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