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Warnung vor Bomben soll Opposition einschüchtern

■ In Belgrad demonstrieren 75.000 Regimegegner gegen Präsident Milosevic. Nur wenige Stunden vor der geplanten Großdemonstration warnt die Staatsführung vor Sprengstoffanschlägen

Belgrad (taz/AFP) – Rund 75.000 Anhänger der serbischen Opposition sind gestern Abend zu der seit langem angekündigten Großdemonstration gegen die jugoslawische Führung in Belgrad zusammengeströmt. Die Polizei war in der Hauptstadt präsent, aber nicht so stark wie von der Opposition ursprünglich befürchtet. Zoran Djinjic, der Chef der Demokratischen Partei Serbiens, wurde von den Demonstranten mit Beifall begrüßt. Zum Auftakt der Kundgebung erklang das alte alte serbische Lied „Gott, gib uns Gerechtigkeit“, das anstelle der Nationalhymne gespielt wurde.

Auf dem Weg in die Belgrader Innenstadt waren Busse mit Regimegegnern von der Polizei behindert worden. Zur Kundgebung vor dem jugoslawischen Parlamentsgebäude waren mehr als 100.000 Menschen erwartet worden.

Nur wenige Stunden vor der Großdemonstrationwarnte gestern die Polizei die Bevölkerung vor möglichen Bombenanschlägen. Eltern wurden im staatlichen Fernsehen aufgerufen, während der für den Abend geplanten Kundgebung keine Kinder auf die Straße zu lassen. Die Veranstalter warfen der Staatsführung daraufhin eine gezielte Einschüchterungskampagne vor.

Die stellvertretende Vorsitzende der Demokratischen Partei, Liljana Lucic, kritisierte, die Regierung wolle die Bevölkerung von der Teilnahme an der Demonstration abhalten. Die Menschen hätten aber keine Angst mehr, sagte Lucic. Zuvor hatte Post- und Fernmeldeminister Ivan Markovic erklärt, an der Veranstaltung nähmen nur Landesverräter teil.

Nach dem Verzicht des Oppositionspolitiker und Chefs der Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO), Vuk Draškovic, an der Demonstration teilzunehmen, sagte auch die Allianz Demokratischer Parteien, eine Koalition mehrerer kleiner Gruppierungen, ihre Teilnahme ab. Als Grund wurden organisatorische Meinungsverschiedenheiten genannt. Überdies sei das Ziel der Kundgebung, Einigkeit der Opposition im Kampf gegen das Regime zu demonstrieren, ohnehin verfehlt. Die regierungsnahe Tageszeitung Polityka machte sich über die Zänkereien innerhalb der „von der Nato gesteuerten“ Opposition lustig. Der Patriarch der Serbischen Orthodoxen Kirche habe abgesagt, der Ex-Generalstabschef, Momcilo Perisic, würde ebensowenig mitmachen. Die studentische Gruppe Widerstand (Otpor) rief dazu auf, vor Beginn der Demonstration eine symbolische Mauer vor dem Parlamentsgebäude zu errichten. Jeder Stein der Mauer solle für ein Opfer von Miloševic' Regime stehen, hieß es in dem Aufruf. Bereits am Mittwochabend hatten in Nis rund 20.000 Demonstranten den Rücktritt Miloševic' gefordert. Für Diskussionen sorgte eine Andeutung aus dem Regierungslager, möglicherweise zu Neuwahlen bereit zu sein. Milan Bozic, prominentes Mitglied der SPO, machte eine internationale Aufsicht zur Bedingung für vorgezogene Wahlen. Andrej Ivanji

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