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Bad Saarow will mondän sein

taz-Serie „Der See ruft“ (Teil 3): Der Kurort am Scharmützelsee stand früher bei der Prominenz hoch im Kurs. Seit 1996 sind 80 Millionen Mark investiert worden    ■ Von Annette Rollmann

Es ist die Hast der Großstadt, die Ulrich Haas in die Idylle mitgebracht hat. Geschäftig eilt er in den Beauty-Raum, dann ins Spa mit zwei Saunen, Dampfbad und Swimming-Pool samt Grotte. Weiter geht es zum See an die Anlegestelle des Sporting Club Berlin. „Wir arbeiten hier hart.“ Schließlich will Ruhe ihren Preis haben. Haas ist der Marketingleiter des Sporting Club Berlin, der Betreiber einer mondänen, von Kempinski geführten Hotelanlage.

Das Areal liegt am Scharmützelsee am Rande von Bad Saarow, eine Autostunde südöstlich von Berlin, in fast unberührter Landschaft, die an vielen Stellen entlang des Sees zum Baden in kleinen Buchten einlädt.

„Sie haben hier alles“, schwärmt der Marketingleiter in breitem Wienerisch und zählt die Superlative auf: Das Alwin-Schockemöhle-Pferdesport-Zentrum, die Nick-Bollettieri-Tennis-Academy, das Kinderhaus, wo die Kinder „auch Vollpension mit Übernachtung haben können“. Aber das beste sei doch die Landschaft. „Oberbayern ist eine reine Puppenstube dagegen“, sagt der Manager, während die Tour auf dem Golfcaddy weiter geht, vorbei an den beiden Achtzehn-Loch-Golfplätzen.

Dass der Sporting Club vor sechs Jahren 17 Hektar Wald ohne Genehmigung abgeholzt hat, erzählt der Marketingleiter nicht. Er rühmt das Natürliche, das man erleben kann – eine Schleppjagd etwa, bei der eine künstliche Fährte gelegt wird. Wie kommen die Saarower mit dem Resort – so nennt Haas die Anlage – klar? Das erfährt man im Ort, der gerade wieder an seine mondäne Bädertradition anknüpft, die lange vor dem Zweiten Weltkrieg begann.

Herrschaftliche Villen zeugen von der wieder auflebenden Eleganz des einstigen Prominentenbades. Alles ist frisch renoviert. Die Kurgäste flanieren auf der neu gepflasterten Promenade, besteigen die weißen Ausflugsdampfer oder besuchen in Saarow die Thermen, die erst vergangenes Jahr eröffnet wurden.

Die andere Welt zeigt sich ein paar Straßen weiter, wo auch der frühere Stadtschreiber Reinhard Kiesewetter wohnt. Der 75-Jährige lebt in seinem Einfamilienhaus mit großem Blumen- und Gemüsegarten. Er ringt sich nur ein Lächeln ab, wenn es um den Sporting Club geht oder um den Kurdirektor Dr. Kirchner und seine „Marionette“, den Bürgermeister. „Die lachen uns doch nur aus. Wir Saarower können gar nichts mehr machen und werden später die Schulden zahlen müssen. Denn die hinterlassen sie bestimmt“, sagt er und wirft seine Hände resigniert in den Schoß.

Außerhalb des Ortes ahnt man, wie es zu DDR-Zeiten aussah, als Saarow zwar ein Badeort war, aber nicht herausgeputzt. In Bad Saarow-Strand gibt es am Friedrich-Engels-Damm ein Bad, das die Gäste aus seinem DDR-Charme nicht entlässt. Doch Saarow hat eine längere Tradition: Fontane verlor sein Herz an die Schönheit des Sees, der sich weit und blau in der Ferne verliert. Er prägte den Begriff vom Märkischen Meer: „Über dem blauen Wasser wölbte sich der blauere Himmel, und zwischen den spärlichen Binsen, die das Ufer hier einfaßten, hing ein ebenso spärlicher Schaum, der in dem ständigen Ostwinde beständig hin und her zitterte.“

In den zwanziger Jahren stand Bad Saarow bei der Berliner Prominenz hoch im Kurs. Box-Idol Max Schmeling wohnte hier und heiratete die Schauspielerin Anny Ondra 1933 in der Ortskirche. Der russische Dichter Maxim Gorki hielt sich von 1922 bis 1923 zur Kur in Bad Saarow auf. Später hatte der Schriftsteller und erste Kulturminister der DDR, Johannes R. Becher, dort ein Seegrundstück.

Viele Saarower haben inzwischen das Gefühl, ein Stück ihrer Heimat zu verlieren. Im ehemaligen Moorbad Saarows, einem schönen Bau aus der Gründerzeit, hat heute die Kurdirektion ihren Sitz.

Das Haus hat einen Westler an seiner Spitze: Herr Dr. Kirchner, so wird er respektvoll genannt. Der kleine, stämmige, braun gebrannte Mann in schwarzen Jeans und schwarzem Hemd erinnert an einen Cowboy, der den wilden Osten erobern will. „Was meckern die denn. Dass die noch nicht mal die Villen renoviert haben wollten, das haben die ihnen natürlich nicht erzählt“, sagt er. „Stimmt's?“

Kirchner hat mit seinem Kurkonzept Erfolg. Den Tourismus in Bad Saarow hat er angekurbelt, die Arbeitslosigkeit des Ortes hat er auf vergleichbar geringe 9 Prozent gedrückt, wo es sonst in der Gegend 22 Prozent sind. Insgesamt hat er 80 Millionen Mark bei Land, Bund und EU in den vergangenen drei Jahren locker gemacht. Aber das kann Kirchner vielen alteingesessenen Saarowern nicht vermitteln. Sie haben nicht das Gefühl, am Erfolg zu patizipieren.

Das sieht auch Axel Schmidt, ehemaliger DDR-Meister im Segeln, der die Segelschule des Sporting Club Berlin in der Hotelanlage Kempinski betreibt. Er stammt aus Wendisch Rietz, einem kleinen Ort am anderen Ende des Sees. „Offiziell sucht man ja den Zugang zueinander“, sagt der 32jährige. „Aber eben nur offiziell.“

Kirchner und seine Leute habe wirklich Erfolge vorzuweisen, findet der braun brannte Sportler, der jeden Winter auf Hawaii verbringt, um sich zu informieren, was es neues in der Surf- und Segelszene gibt. Aber Kirchner ignoriere die Mentalität der Leute in Bad Saarow. Die Angestammten kämen mit der schnellen Entwicklung nicht mehr mit, sagt Schmidt, fragt aber. „Was wäre denn gewesen, wenn hier keine Investoren wie der Sporting Club hingekommen wären?“

Sosehr Schmidt die Anwohner des Sees versteht, so wenig gefällt ihm deren Phlegma. „Viele glauben, alles muss so bleiben wie in der DDR“, sagt er und berichtet, wie er versucht habe, den Kindern das Terrain des Segelclubs mit preiswerten Angeboten zu öffnen – mit mäßigem Erfolg. Dass der Sporting Club auf die Menschen am See wie eine elitäre, verschlossene Welt wirken muss, glaubt er nicht. „Die müssen sich das doch wenigstens mal ansehen.“

Und bevor er noch eine Runde surfen geht, erzählt er eine Geschichte über sein Dorf Wendisch Rietz: Der Ort sei touristisch kaum entwickelt. Die Nachwendezeit, in der die alten DDR-Strukturen mit ihren Einrichtungen kaputtgingen, ohne dass Vergleichbares angeboten wurde, sei noch viel mehr präsent als in Saarow. In Wendisch Rietz gebe es für die Jugendlichen statt DDR-Jugendklub oder West-Segelclub mittlerweile einen Sozialarbeiter. „Ein Streetworker in einem Dorf. Das müssen Sie sich mal vorstellen.“

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