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Hochsicherheits- OP

■ Überlebender des Lübecker Brandanschlages bleibt in Abschiebehaft

Als das Verwaltungsgericht Schleswig vorige Woche beschloss, dass Victor Atoe im Krankenhaus operiert werden soll, entließ die Ausländerbehörde Ostholstein den Nigerianer nicht etwa aus der Abschiebehaft. Im Gegenteil: Noch am selben Tag beantragte der Sachbearbeiter, den Gefängnisaufenthalt zu verlängern. Atoe wird folglich unter Haftbedingungen operiert: Unter ständiger Bewachung wird dem Nigerianer das Metall aus dem Bein entfernt, das ihm im Januar 1996 eingesetzt werden musste, als er den Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße schwer verletzt überlebte.

Für heute hatte die Ausländerbehörde bereits den Flug Atoes nach Nigeria geplant – ohne Operation. Dabei hatte ein Chirurg des Lübecker Krankenhauses davor gewarnt, daß „bei nicht entferntem Osteosynthesematerial mit einer unter Umständen sehr gefährlichen Ausbildung einer Knocheninfektion zu rechnen ist“.

Seit Ende Mai sitzt Atoe im Gefängnis. Während die anderen Überlebenden der Brandnacht zunächst zumindest Duldungen bekommen hatten, war Atoe abgeschoben worden, weil er nur zu Besuch in der Hafenstraße gewesen war. Diesen Mai dann hatte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) verfügt, dass die Flüchtlinge ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland bekommen sollten. Atoe reiste wieder ein und meldete sich bei der Lübecker Ausländerbehörde. Statt ihm ein Aufenthaltspapier auszustellen, nahm diese ihn in Haft.

Herausbekommen hat seine Hamburger Rechtsanwältin Marlene Schmid-Czarnetzki ihn bis heute nicht. Das dauerhafte Bleiberecht spricht das Kieler Innenministerium Atoe ab, weil er schon nicht mehr in Deutschland war, als Schily es für die Brandüberlebenden zusicherte. Und dass er dringend ein weiteres Mal operiert werden muß, mochte das Ministerium auch nicht als Bleibegrund akzeptieren. Erst als nun das Verwal-tungsgericht anordnete, die Operation zu ermöglichen, sagte die Ausländerbehörde zu, den Eingriff zu veranlassen. Um ihn dann, so die Ankündigung im Antrag auf Haftverlängerung, zwei bis drei Wochen später nach Nigeria abzuschieben. Elke Spanner

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