piwik no script img

Eine Visitenkarte für die ganze Welt

■ www.eigenwerbung.hb: Über 30 Bands aus Bremen rocken, poppen und designen inzwischen im Internet

Warum soll man eigentlich immer den Umweg über die Plattenfirmen und die Popmagazine gehen? Zwischen Neuenkirchen und Arbergen suchen jedenfalls immer mehr Bands den direkten Draht, um ihren Hörern Informationen, Fotos und ganze Songs zur Verfügung zustellen. Die Homepages von über 30 Bands aus Bremen sind mittlerweile im Internet zu finden. Tendenz: rasant steigend.

Covent Garden ist eine Gruppen, die im Netz präsent ist (http://members.aol.com/CovGarden/). Frank Fiedler, Sänger der Gitarrenpopband, ist mit den Reaktionen auf seine Anfang 1998 gelaunchte Homepage hochzufrieden. „BMG Ariola aus München haben darüber Kontakt aufgenommen. Millionäre sind wir noch nicht, aber wir müssen uns mit denen mal in Ruhe unterhalten.“ Auch wenn das Verhandlungsangebot einer großen Plattenfirma nicht die Regel im Netzalltag ist – das Intenet ist das ideale Zusatzmedium für eine Band, sei es als Sprungbrett, als interaktives Werbebanner oder als Vertriebsweg. Eine eigene Homepage kostet kaum Geld, wenn man sie, wie Frank, selbst erstellt. „Zu sehen gibt es dort ein paar schicke Live-Fotos, Infos und Zeitungsartikel über uns,“ sagt er. „Und es gibt was zu hören von unseren beiden CDs und sogar unveröffentlichte Stücke, was natürlich für die Fans besonders interessant ist.“

Der Kopf von Covent Garden schätzt das Internet als Möglichkeit, Plattenmogule und Veranstalter anzusprechen und als Chance, auf eigene Konzerte hinzuweisen – auch überregional. „Sogar jemand in Bayern kann sehen, ob wir irgendwann spielen. Aus seiner Lokalzeitung erfährt er das nicht.“ Außerdem können die Fans von Covent Garden via E-Mail direkt auf Konzerte, auf neue Songs im Internet oder Bandfotos vom neuen Gitarristen reagieren. „Das machen Leute eher, als dass sie anrufen oder Briefe schreiben,“ weiß Frank Fiedler.

Aktueller als im Internet geht es auch kaum: Als die Punkband ASE (http://www-user.uni-bremen.de/ßhno/ASE.html) eines abends spontan auf der heimischen Veranda am Sielwall rockte, protzte sie noch am selben Abend damit im Internet. Interessierte konnten eine Stunde nach dem Konzert schon Bilder und Sounds abrufen. Und schließlich weiß man nie, wer so eine Homepage zu Gesicht bekommt: Theoretisch kann jemand in Katmandu genau so einfach die Covent Garden-Seiten antesten wie ein Bremer. Das sorgt immer wieder für Überraschungen, sagt Frank Fiedler. „Im Juni haben wir mit Covent Garden im Schloss Bellevue für Roman Herzog gespielt, und ich weiß es nicht, wie wir dazu gekommen sind,“ rätselt er, denn: „Beworben haben wir uns da nie. Bläck Föss waren da, Karat, eine ganz andere Größenordnung eigentlich. Freddie Quinn war für Hamburg eingeladen gewesen und wir eben für Bremen.“ Rock'n'Roll für president – das Internet macht es möglich.

Zu hören gibt es im Internet aber nicht nur Pop made in Bremen. Ohne große Mühe stößt man auf harten Punk, auf Techno oder auf die bluesigen Rockhymnen der Show-Profis der Gruppe Double-O-Soul (http://home.t-online.de/home/double-o-soul/). Fast überall gibt es auf den Festplatten neben der Chance, E-Mails zu schicken, auch einige Songs als Dateien, die mit den gängigen Abspielprogrammen wie Real Player oder Quicktime angehört werden können. Um diese Seiten zu finden, muss man nicht einmal geschickt mit den Internetsuchmaschinen umgehen. Band-Links gibt es auf der Internetseite von Frank Fiedlers Plattenfirma Starfish Music (http://www.starfish-music.de/) oder bei der Internationalen Stadt Bremen (http://www.is-bremen.de/is-bremen/Kultur/Musik/IS.html).

Dort findet sich übrigens auch ein Stück lokale Netzgeschichte: Die Seiten der ersten Bremer Band im Internet. Die Metaller 44XES wagten schon vor fünf Jahren den Spung ins Netz (http://www.is-bremen.de/IS-Bremen/Kultur/Musik/44xs/forty4Xes.html ). Seitdem wurden ihre Seiten allerdings kaum aktualisiert, sie sind zum Cybermuseum einer längst vergangenen Band-Epoche geworden.

Immer aktuell kommt dagegen das Technoproject Lunar Eclipse mit seinen abgedrehten Infoseiten in Metallic Blau rüber (http://www.lunatic-eclipse.com). Projekt-Chef Andre Kuhn arbeitet in der Internetbranche, und das sieht man den Seiten an. Über seine Homepage informierte sich sogar Andres derzeitiger Mitmusiker, bevor er sich entschloss, bei Lunar Eclipse mitzuarbeiten.

Als Andre die ersten Lunar-Seiten vor drei Jahren ins Netz stellte, hofften Lunar Eclipse darauf, dass mit der Internetpräsenz die Plattenverkäufe ins Rollen kämen. „Wir haben eine Einkaufsfunktion programmiert, technisch ist die Seite voll E-commerce-fähig,“ sagt Andre. Genutzt wird diese Möglichkeit allerdings so gut wie gar nicht, räumt er ein. Sein Fazit: „Gute Erfahrungen macht man, wenn man seine eigene Internetseite wie eine Visitenkarte ins Netz hängt. Wer sich aber vorstellt, dass er über seine Seite kistenweise eigene CDs verkaufen kann, kann sich das abschminken. Das ist definitiv.“

Aber das hat die Band mit der wohl coolsten Bremer Bandhomepage ohnehin nicht vor. Auf den Netzseiten der abgedrehten Instrumental-Metalband Yagdish gibt es nur wenig Bilder und deshalb kurze Ladezeiten (http://www-user.uni-bremen.de/ßjust/yagdish/). Lustige grafische Gimmicks machen dafür neugierig. Alle Demo-Tapes und CDs sind mit kurzen Trackangaben verzeichnet, von den neueren Stücken gibt es auch Soundfiles zum Anhören. Das Komprimierungsformat MP3 macht es möglich. Während früher die Datenmengen so groß waren, dass sich bestenfalls zehn Sekunden lange Soundschnipsel in vertretbarer Zeit runterladen ließen, sind nun auch lange Stücke in ordentlicher Klangqualität für Otto-Normal-User hörbar.

Feedback bekommen Yagdish von russichen Piratenradios oder von Fans in Brasilien. Die Band nimmt ihre Songs im Übungsraum mit einem Mindisk-Recorder auf. Von da aus stellt Christian sie direkt ins Netz. Wildes Kopieren, sagt er, sei ausdrücklich erwünscht. „Da wir ja keine großartigen Plattenverträge haben, ist uns das egal, wenn sich jemand die Dateien zieht, statt eine CD zu kaufen. Und wenn jemand das Material auf diesem Weg massenhaft verbreitet, soll uns das recht sein.“ Lars Reppesgaard

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen