piwik no script img

Der Zankapfel bleibt das Bleiberecht

Lesbisch oder schwul und in einer binationalen Partnerschaft zu leben zieht gleich doppelte Diskriminierung nach sich. Ein französischer Zivilpakt will jetzt Gleichberechtigung schaffen. Ein migrationspolitisches Allheilmittel ist er nicht  ■   Von Veronika Kabis-Alamba

Hätte der französische Premierminister Lionel Jospin geahnt, welche Lawine er damit lostritt, wäre er vor drei Jahren vermutlich vorsichtiger an die Einlösung seines wohlmeinenden Wahlversprechens herangegangen. Ein paar Erleichterungen bei den Alltagsproblemen schwuler und lesbischer Paare wollte er schaffen, seiner Sozialistischen Partei bei dieser Gelegenheit ein modernes Image verpassen.

Was dabei herausgekommen ist, nämlich das immer wieder herausgezögerte, nunmehr nach der parlamentarischen Sommerpause zu verabschiedende Gesetz über den Zivilen Solidarpakt (frz. „pacs“, sprich: pax), hat den ursprünglich gesetzten Rahmen weit gesprengt. Die starken französischen Schwulen- und Lesbenverbände, aber zunehmend auch ein großes Pro-Pacs-Bündnis aus vielen gesellschaftlichen Gruppen witterten ihre Chance und machten dem Gesetzentwurf Beine. Das Gesetz besagt, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften, eben auch homosexuelle, wenn sie durch einen „Solidarpakt“ behördlich besiegelt sind, einer Ehe in verschiedenen Punkten quasi gleichgestellt sind. Kein Wunder, dass es bis zu hunderttausend Konservative, allen voran die Kirchenvertreter, immer wieder zu Großkundgebungen gegen diese Ersatzehe auf die Straße getrieben hat.

Sozusagen en passant hat das Gesetz eine besondere Gruppe der bislang von der Anerkennung ihrer Lebensgemeinschaft Ausgenommenen mit Aufmerksamkeit bedacht, nämlich die schwulen und lesbischen binationalen Partnerschaften. Ähnlich wie in Deutschland unterliegen sie bisher einer mehrfachen Diskriminierung: der als Homosexuelle und der als binationales Paar, dessen Alltag von ausländerrechtlichen Restriktionen geprägt ist.

Aufenthaltsrecht versus Ermessensentscheidung

Wen wundert's, daß die von den einen erhofften und von den anderen befürchteten ausländerrechtlichen Konsequenzen aus der Anerkennung nichtehelicher Lebensgemeinschaften zum besonderen Zankapfel der Debatte über die Gesetzesvorlage wurden? Der ursprünglich vorgesehene Artikel 6 definierte die durch einen Pacs besiegelte nichteheliche Lebensgemeinschaft ausdrücklich als familiäre Bindung, durch die die Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung erfüllt sei. Doch zu früh gefreut: Der konservative französische Senat machte den Befürwortern einer solchen Regelung einen Strich durch die Rechnung, so dass der Entwurf geändert werden musste.

Nun steht an der Stelle eines Aufenthaltsrechtes die Ermessensentscheidung nach dem Ausländergesetz, die seit eh und je von Migrantenverbänden scharf kritisiert wird. Nicht nur, dass die herkömmliche Eheschließung mit diesem Gesetz endgültig zur ausschließlichen Sache von Heterosexuellen erklärt wird, jetzt soll auch die nichteheliche Lebensgemeinschaft wieder einer Gerichtsbarkeit ausgeliefert werden, die sich bislang stets als konservativ erwiesen hat, entrüstet man sich bei ARDHIS, dem Verband für die Anerkennung der Rechte von homosexuellen und transsexuellen MigrantInnen, nach der anfänglichen Euphorie über das Gesetzesvorhaben. Ferner kritisieren sie, dass die Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen nach dem Ausländergesetz immer nachrangig gegenüber anderen Aufenthaltsgründen ist und dass grundsätzlich kein eigenständiges Aufenthaltsrecht, unabhängig vom Bestand der Lebensgemeinschaft, vorgesehen ist. Auch die sonstigen zu erfüllenden Voraussetzungen – Aufenthaltsdauer in Frankreich, Bestandszeit der Lebensgemeinschaft, Straffreiheit, Unterhaltssicherung ohne Inanspruchnahme öffentlicher Hilfe etc. – sind auf heftige Kritik gestoßen.

Für GISTI, eine der großen Lobbygruppen für Migrationsfragen in Frankreich, ist deshalb das neue Gesetz, sosehr es für die grundsätzliche Anerkennung des gesellschaftlichen Wandels steht, nicht der Weisheit letzter Schluss. Eine wahre Gleichberechtigung homosexueller Partnerschaften, gerade unter dem ausländerrechtlichen Aspekt, kann es für GISTI nur mit der uneingeschränkten Möglichkeit der Homoehe geben.

Genau das fordern die Interessenverbände in Deutschland auch. Leschiak, der lesbisch-schwule internationale Arbeitskreis im Verband binationaler Familien und Partnerschaften, iaf e. V., bietet seit 1996 ein Forum für gleichgeschlechtliche MigrantInnen und binationale Lesben und Schwule. Leschiak fordert die Homoehe als kurzfristiges Mittel zur Lösung der aufenthaltsrechtlichen Probleme, wohl wissend, dass es sich dabei nicht um ein migrationspolitisches Allheilmittel handelt. Denn um die aufenthaltsrechtliche und gesellschaftliche Situation verheirateter binationaler Paare in Deutschland ist es schließlich auch nicht bestens bestellt.

Wenn die Heirat zur einzigen Möglichkeit wird, eine Beziehung in Deutschland leben zu können, die PartnerInnen schon beim Aufgebot gegen Scheinehenverdacht kämpfen oder aber eine zerrüttete Ehe aufrechterhalten müssen, um dem ausländischen Partner die Aufenthaltsbeendigung zu ersparen, dann wird deutlich, dass auch mit der Homoehe nicht alle ausländerrechtlichen Probleme von homosexuellen MigrantInnen und Binationalen gelöst sein werden. Was der Forderung nach ihrer Einführung natürlich nicht weniger Berechtigung verleiht.

Hamburger Ehe zeitigt keine Nachwehen

Derzeit geistert im Übrigen so manche Falschmeldung über die aufenthaltsrechtliche Situation binationaler Homopaare durch die Lande. Die in einigen Bundesländern ergangenen Erlasse zum Aufenthaltsrecht von schwulen und lesbischen PartnerInnen werden mitunter dahin gehend interpretiert, dass nunmehr eine aufenthaltsrechtliche Gleichstellung mit heterosexuellen EhepartnerInnen bestehe. Das sei jedoch alles „Nonsens“, erläutert Jörg Wegner von Leschiak Bremen, nach wie vor bestehe kein Rechtsanspruch auf Aufenthalt. Auch die so genannte Hamburger Ehe habe keineswegs die ausländerrechtlichen Auswirkungen, die ihr nachgesagt würden.

Was es lediglich gibt, ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. 2. 1996, wonach die Familiennachzugsregelungen des Ausländergesetzes zwar nicht auf eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft anwendbar seien, zumindest aber eine Ermessensentscheidung im Einzelfall in Betracht komme. Dabei verweist das Gericht u. a. auf Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, wie die französischen Gesetzgeber auch. Lang ist jedoch die Liste der Versagungsgründe bei der Erteilung einer solchen Aufenthaltserlaubnis: fehlende materielle Absicherung, Vorliegen eines Ausweisungsgrundes, Einreise ohne oder mit dem „falschen“ Visum (z. B. Touristenvisum), Fehlen eines Passes, laufendes Asylverfahren und so weiter.

Der Verband binationaler Familien und Partnerschaften beginnt in Bremen und Frankfurt demnächst ein bundesweites Modellprojekt zur Situation binationaler Schwuler und Lesben unter der Leitung des Juristen Jörg Wegner. Ratsuchende und Multiplikatoren vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Rechtslage zu informieren, die politischen Forderungen stärker an die Öffentlichkeit zu bringen und die Kontakte zu den Lobbygruppen in anderen europäischen Ländern zu intensivieren sind vorrangige Ziele des Projekts, das finanziell in den kommenden zwei Jahren durch das Bundesfamilienministerium unterstützt wird. Der Vergleich mit anderen Ländern wie Frankreich ist wichtig: um zu sehen, wo man selbst steht, und um sich in den migrationspolitischen Fragen, die ja künftig auf gesamteuropäischer Ebene entschieden werden, zu vernetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen