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Tief unterm Bahnhofsplatz

■ Für zehn Stunden Schutz / Fast zwei Meter Beton schützen im Bunker unterm Bahnhofsvorplatz vor Strahlen / Zweiter Teil der taz-Serie, die in loser Folge Orte beschreibt, die die BremerInnen sonst nur von außen kennen

Die Einfahrt sieht ganz nach Tiefgarage aus. Frisch und weiß herausgeputzt. Im eleganten Bogen geht es vom Bahnhofsvorplatz nach unten. Dann versperrt ein Garagentor den Weg. Schlüssel haben nur die Stadt und das Katasteramt. Öffentlichkeit ausgeschlossen. Statt Tiefgarage liegt hier ein Schutzbunker.

Nur eine fette Betontür erinnert an Bunker und Katastrophenschutz. Gut 40 Zentimeter ist sie dick. Gut 40 Zentimeter Beton zum Schutz vor Strahlen und Druck. Sperrangelweit steht das Tor zur Bunkerwelt offen. Immer. Verriegelt werde nur im Katastrophenfall, erklärt Horst Bullmahn, der für Bremens Bunker zuständig ist. Dann würde das Tor mit großen Schrauben fest ins Schloss gezurrt. Von innen. Von außen ließe sich nichts mehr öffnen. Geschlossene Gesellschaft.

Hinter dem Betontor sieht alles nach Tiefgaragen-Tristesse aus. Ganz normal. Keine Spur von Schutzfunktion. Ein langer dunkler Raum liegt hinter der Tür. Groß und geräumig ist alles, mit Nischen rechts und links. Orange Stadtfahrzeuge werden hier geparkt – „für ein bisschen Miete“ nutze das Katasteramt die Nieschen als Garagenstellplätze, sagt Bullmahn. Weiter hinten sind kleine Geräte- und Technikräume. Hier stehen Privatfahrzeuge. Treffpunkt Bunker. Von hier aus geht es für die Leute vom Katasteramt mit den Stadtautos weiter.

Gut zwei Meter dicke Betonschicht außenrum sollen hier unten für Schutz sorgen. Kühl ist es unter soviel Beton. Im Katastrophenfall sollen 960 Menschen unterm Bahnhofsvorplatz Schutz finden. Der Notfall darf nicht zu plötzlich kommen. Vorher muss der Bunker von den Fahrzeugen geräumt werden. Maximal 24 Stunden ist dafür Zeit.

Die Halle unterm Bahnhofsvorplatz reicht nur für Kurzzeitschutz. Länger als zehn Stunden sollte der Notfall nicht dauern. Dafür ist die Technik nicht ausgelegt. Dafür gibt es andere Bunker, sagt Bullmahn. Die haben dann zum Beispiel ein Notstromaggregat. Luft- und Wasseraufbereitung. Und Betten. Im Bahnhofsbunker gibt es nur Klappstühle. Nahrung, Telefon, Radio – alles nicht vorhanden. „Lebensmittel werden erst im Notfall konfisziert“, sagt Bullmahn.

Geplant war mal, den Bunker als Fahrradgarage am Bahnhof zu nutzen. Das ging zum Glück nicht, sagt Bullmahn. Denn richtige Notausgänge fehlen am Bahnhofsbunker. Die Flucht aus der Unterwelt bliebe versperrt. Zwar gibt es zwei Fluchtwege zum Bahnhofsvorplatz – aber die sind oben durch zwei Betonplatten gesichert. Nur durch Hydraulikantrieb können die Platten angehoben werden. Als Notausgang einer Fahrradgarage gar nicht denkbar.

Rund 150 Bunker gibt es in Bremen und Bremerhaven. Allesamt aus dem Zweiten Weltkrieg. Jährlich gibt es TÜV-Kontrollen, erklärt Bullmahn. Die Richtlinien des Bundes fordern immer den neuesten Stand. Rund zwei Millionen Mark stehen zur Gesamtunterhaltung zur Verfügung. Immer weniger wird die Schutzfunktion auf Kriege ausgelegt. Immer mehr auf Katastrophenschutz. Gut die Hälfte der Bunker wird mittlerweile zivil genutzt: als Lagerraum oder Proberäume für Musiker.

Die Bunker verfolgten Horst Bullmahn schon als Kind. Damals drohten die Eltern, er käme in den Bunker, wenn er nicht artig sei. Heute hat er die Schlüssel. Aber bald geht er in Rente. Bald ist er die Bunker los. pipe

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